Die unsterbliche Braut
du ihm angetan hast. Sie wollte nicht dafür verantwortlich sein, dass er vergeht. Er hat mich geheiratet, weil er dich nicht haben konnte und ich die beste Alternative war. Vielen Dank, dass du’s mir noch mal unter die Nase reibst.“
Die Worte waren heraus, bevor ich mich bremsen konnte, und jetzt konnte ich sie nicht mehr zurücknehmen. Davon abgesehen war es die Wahrheit. Das Offensichtliche zu ignorieren und so zu tun, als hätte sie keine Rolle gespielt bei der Tatsache, dass ich geboren worden war, wäre dumm gewesen.
Ich war auf die Welt gekommen, um ein Abbild von ihr zu sein; die Version von ihr, der nicht einmal sie gewachsen war. Doch jetzt, da ich vor ihr stand, wusste ich, dass ich dem niemals auch nur nahekommen würde. Sie war schön und graziös und ließ die Blumen um uns herum verblassen, doch gleichzeitig war sie bereit, den Menschen wehzutun, die sie liebten, nur um ihr eigenes Glück zu finden.
Ich war nicht Persephone, und zum ersten Mal, seit ich Henry vor über einem Jahr kennengelernt hatte, begriff ich schließlich, dass das etwas Gutes war. Ich war diejenige, die Adonis begehren und trotzdem Nein sagen konnte.
Erdrückende Stille erfüllte das Häuschen. Unverwandt starrtePersephone mich an. In ihren Augen brannte etwas, das ich nicht einordnen konnte, doch ich wusste, es war nichts Gutes. Sie musste mir nicht erst sagen, dass ich gehen sollte. Entschlossen drehte ich mich auf dem Absatz um und ging hinaus.
Eine sanfte Brise strich über die Wiese, und als ich tief Luft holte, erfüllte der Duft von Freesien meine Lungen, doch ich war nicht mehr in der Lage, mich darüber zu freuen. Heißer Zorn zerstörte jedes Mitgefühl, das ich für Persephone empfunden hatte, und es war mir egal, ob sie meine Schwester war. Ich hatte auch vorher nie eine Schwester gehabt, und es gab keinen Grund, das jetzt zu ändern.
Hinter mir hörte ich die Tür aufgehen und Schritte auf dem Trampelpfad, als jemand mir folgte. Ich ging weiter.
„Kate“, rief Ava. „Kate, bleib stehen.“
Ich war schon auf halbem Weg zu den Bäumen, als sie meinen Arm ergriff. Wütend fuhr ich herum, bereit, auf sie loszugehen, doch die Worte blieben mir im Hals stecken.
„Du weißt, dass das nicht wahr ist“, sagte sie leise. „Henry hat dich nicht geheiratet, weil du Persephones Schwester bist.“
Wieder versuchte ich zu sprechen, doch alles, was dabei herauskam, war ein ersticktes Schluchzen, und mir brannten die Wangen vor Demütigung. Ich hatte keine fünf Minuten mit meiner Schwester verbracht, und schon hatte sie mich so weit gebracht.
„Sie … sie ist der einzige Grund, aus dem ich überhaupt eine Chance bekommen habe“, heulte ich. „Und Liebe war nie Teil der Abmachung. Alles, was ich tun musste, um ihn zu heiraten, war, die Prüfungen zu bestehen, und … und das ist alles, was ich geschafft habe.“
Sanft nahm Ava mich in den Arm, und ich barg mein Gesicht an ihrer Schulter, krampfhaft bemüht, nicht noch mehr zu flennen, als ich es sowieso schon tat. Doch jetzt, wo der Damm gebrochen war, konnte ich nicht mehr aufhören. All die Sorge und Anspannung, die ich seit meiner Ankunft in der Unterwelt mit mir herumgetragen hatte, strömte aus mir heraus, und wiederund wieder brach ich in Schluchzen aus und verlor auch den letzten Rest Würde, der mir noch geblieben war.
Das hatte ich nicht gewollt. Ich wollte meiner Schwester nicht begegnen und den ganzen schmerzhaften Wahrheiten ins Auge sehen, die damit einhergingen. Selbst mit dem Krebs meiner Mutter war ich in New York glücklich gewesen, als ich noch nicht gewusst hatte, dass ich ihr zweites Kind war – ein Ersatz für die Tochter, die nicht perfekt gewesen war. Jetzt lasteten all ihre Hoffnungen und Erwartungen auf meinen Schultern, und meine Entschlossenheit wankte.
Ich wollte nicht aus Pflichtgefühl oder wegen eines Arrangements verheiratet sein. Ich liebte Henry. Vielleicht war es nicht die endlose, ewige Liebe, von der die Dichter schrieben und die Musiker sangen, aber er machte mich stärker, machte mich glücklich. Zu wissen, dass er Teil meines Leben war, erfüllte mich mit Stolz. Er hatte mich gerettet – auf mehr als eine Weise. Und wenn er bei mir war, fühlte sich alles richtig an. Real. Irgendwann würden wir es schaffen, wenn er mir eine Chance gab. Stattdessen versuchte er mich auf Abstand zu halten, und die ganze Zeit über litt ich, weil ich wusste, dass ich nicht gut genug für ihn war, um meine Liebe zu erwidern. Weil ich
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