Die Unsterblichen: Roman (German Edition)
allzu schwierig werden. Du kannst unsere Vorlagen verwenden, wenn du möchtest. Und der letzte Teil unseres Jobs sind die Abschiedsinterviews. Das ist das Wichtigste. Alle Abschiedsinterviews müssen direkt mit dem Klienten und unter vier Augen erfolgen. Es darf niemand anwesend sein außer dir selbst, dem Klienten und Ernie da drüben.«
Matt zeigte auf einen muskulösen, glatzköpfigen Kerl mit einem schwarzen Ziegenbart, der Kichererbsen aus einem riesigen schwarzen Plastiktiegel aß. Er lächelte und winkte uns zu. Das war also Ernie.
»Einmal«, fuhr Matt fort, »haben wir zugelassen, dass der Bruder eines Taubstummen im Raum blieb, um für ihn zu dolmetschen. Es stellte sich schließlich heraus, dass der Bruder absichtlich alles falsch gedolmetscht hatte. Der gottverdammte taubstumme Typ dachte, es handle sich um ein Beratungsgespräch für Ohrimplantate. Der Bruder hatte was mit seiner Frau und wollte ihn loswerden. Lass also nicht zu, dass irgendjemand sonst sich im Raum aufhält. Die Zeugen können eintreten, sobald es vorbei ist. Und wenn du das Gespräch führst, dann verwendest du diese App hier, um es aufzunehmen und weiterzusenden. Damit wird das Gespräch in Echtzeit auf unseren Server übertragen. Ich leite es dann direkt an die Eindämmungsbehörde weiter, und du bekommst gleich darauf die Genehmigung. Wir führen keinen Auftrag ohne Genehmigung durch. Niemals . Die Eindämmungsbehörde übernimmt die rechtliche Haftung, sobald sie das Abschiedsinterview für gültig erklärt hat, und es wird sofort behördlich gespeichert. Danach bekommst du dein Geld und Ernie führt die Euthanasie durch. Er schließt die Sache ab. Mach es nicht selbst. Ernie hat eine Ausbildung als Krankenpfleger, das heißt, er ist der Einzige, dem es per Gesetz erlaubt ist, es zu tun. Dann sendest du deinen Abschlussbericht, lässt die Zeugen eine Verzichtserklärung unterschreiben und rufst Mosko an, damit er den Körper abholt. Danach bekommen die Angehörigen ihre kostbare kleine Steuerrückerstattung und die Versicherungsprovision, und der Auftrag ist erledigt.«
Sein WEPS läutete. Er nahm das Gespräch an und verließ für dreißig Minuten den Raum, während er mich dort ohne etwas zu tun sitzen ließ. Dann kam er zurück und machte weiter, als sei nicht eine Minute vergangen.
Ich hatte auch einige Fragen. »Was soll ich die Leute in diesen Abschiedsinterviews denn fragen?«
»Ach, nur den üblichen Schwachsinn. ‚Hey Kumpel, warum willst du denn sterben?‘ Das reicht für gewöhnlich. Bruce und ich haben eine Liste mit Beispielfragen, die du verwenden kannst.«
»Und auf welche Art führt Ernie die Euthanasie durch?«
»Hmm, das hängt davon ab, was gewünscht wird. Normalerweise fragen sie nach der schnellsten und schmerzlosesten Variante. In diesem Fall schlagen wir immer das hier vor.« Er hielt ein sehr kleines, torpedoförmiges Plastikröhrchen hoch, das mit einer Lanzette versehen war. »Das ist hochverdünntes Natriumfluoracetat. Ein Stich, einmal zusammendrücken und fertig. Ohne Wenn und Aber. Ich würde vorschlagen, dass du jeden dazu bringst, diese Methode zu wählen. Lass dir bloß nicht von einem dieser Idioten einreden, dass Ernie ihm den Schädel wegblasen soll.«
Ernie sprach, ohne aufzusehen. »Ich blase den Leuten nicht gern den Schädel weg.«
»Siehst du? Er mag es nicht, den Leuten den Schädel wegzublasen. Außerdem sind gewaltsame Euthanasieabwicklungen schlecht für das Image unserer Branche. Wir wollen, dass die Leute uns als nette und freundliche Euthanasie-Spezialisten wahrnehmen. Wie den heiligen Petrus. Und noch etwas: Bitte versuche nie, unter keinen Umständen, einem Klienten sein Vorhaben auszureden. Das ist nicht deine Aufgabe. Deine Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass sie bei klarem Verstand eine rationale Entscheidung treffen und von niemandem dabei beeinflusst werden. Wenn jemand während des Abschiedsinterviews plötzlich sagt: ‚Wow, hey! Ich möchte es eigentlich gar nicht!‘, dann ist das okay. Wie auch immer. Versuche niemals , den netten Typen von nebenan zu spielen und sie zu retten.«
»Warum nicht?«, fragte ich.
»Weil wir auf diese Leute scheißen – deshalb. Sie sind vergeudete Energie, Zeitverschwendung. Sie laufen herum und atmen unsere Luft. Sie trinken, was noch von unserem Wasser übrig ist, und essen, was noch von unserem Speck bleibt. Und sie schätzen es nicht einmal. Also, ich kann dich erst zu unseren Klienten hinausschicken, nachdem du mir
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