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Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Titel: Die Unsterblichen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Drew Magary
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mit dem Aufzug nach unten. In der Nähe gab es ein irisches Pub. Wir waren früh genug dran, um dem Ansturm um zwei Uhr zuvorzukommen. Er setzte sich an einen Tisch, während ich die Drinks bestellte. Er bat um ein Mineralwasser, da er keinen Alkohol trank. Immer wenn man mit jemandem in eine Bar geht, auf den man sich schon sehr gefreut hat, gibt es den Moment, wenn man zur Theke stürmt, um die Drinks zu holen, damit man den Moment, an dem man sich schließlich mit dem anderen beschäftigen muss, noch ein wenig hinauszögern kann, weil man immer noch aus irgendeinem Grund zu nervös für ein Gespräch ist. Ich hatte bereits die Hälfte meines Biers ausgetrunken, als ich mich zu David setzte. Er trug einfache Khakihosen und ein Baumwollshirt, auf dem das Logo der Kirche der Menschheit prangte.
    »Du lebst also in Virginia«, sagte er.
    »Ja.«
    »Mum hat mir erzählt, dass du als Euthanasie-Spezialist arbeitest.«
    »Das stimmt nicht ganz. Ich bin als Berater anwesend. Ich kümmere mich um den Papierkram und die Gespräche. Mein Kollege kümmert sich um die Euthanasie.«
    »Ihr tötet also Menschen.«
    »Ich versuche bloß zu helfen.«
    Wieder diese unbehagliche Stille. Ich überflog die Speisekarte, um mich abzulenken. Ich hatte nicht vor, etwas zu bestellen. Mir kam der schreckliche Gedanke, dass er nicht hier sitzen würde, wenn die Entscheidung vor neunundzwanzig Jahren bei mir gelegen hätte. Mein Magen krampfte sich zusammen.
    »Du scheinst dich in meiner Gegenwart nicht wohl zu fühlen.«
    »Das hat nichts mit dir zu tun«, sagte ich. »Ich fühle mich in meiner eigenen Gegenwart nicht wohl. Und dir hier gegenüberzusitzen, fühlt sich unnatürlich an. Ich bin unnatürlich. Ich kann bloß daran denken, wie leid mir das alles tut und wie wenig dir mein Bedauern hilft.«
    »Du musst dich nicht entschuldigen. Es ist alles vergeben und vergessen.«
    »Das ist viel zu großzügig von dir.«
    »Es ist in Ordnung. Das ist es, was die Kirche uns lehrt. Sie lehrt uns, dass das Gute und die Selbstlosigkeit im Menschen immer an die Oberfläche kommen. Der Mensch hat die Fähigkeit dazu. Ich wusste, dass wir dieses Gespräch früher oder später führen würden, und ich wusste, dass es in Ordnung sein würde. Ich wusste, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde. Jeder Mensch möchte letzten Endes mit sich selbst ins Reine kommen.« Das Gespräch begann sich zu wandeln. Eine sanfte Wärme entwickelte sich. Er nahm meine Hand. »Es ist in Ordnung für mich, John. Es ist wirklich in Ordnung. Es wird dir vermutlich schwerfallen, es zu glauben, aber du hast mir geholfen . Das ist wirklich wahr. Ich habe darüber nachgedacht, kurz bevor du gekommen bist. Ich habe eingesehen, dass es mir bestimmt war, ein Bote der Menschheit zu werden, und dass du der Grund dafür bist. Ich bin ohne Vater aufgewachsen, und dennoch habe ich einen Vater. Ich habe Nate, und er ist ein wunderbarer Mensch. Ich habe eine wundervolle Mutter und eine wundervolle Schwester. Und eine weitere wunderschöne Schwester, die gerade auf dem Weg ist. Ich habe eine Freundin, die ich sehr liebe und die ich eines Tages heiraten werde. Und ich habe die Kirche. Ich habe so viel. Ich habe eine Gruppe von Menschen, die mich unterstützt und hinter der unendlich viele andere stehen. Und es wird niemals anders sein. Niemals. Denn die Kirche wird niemals sterben. Ich habe ein Herz, doch es befindet sich nicht im Inneren meines Körpers.« Er deutete nach draußen. »Es ist da draußen. Das hast du gerade bewiesen. Du hast nicht an meinem Leben teilgenommen, und dennoch bin ich hier. Im Frieden mit mir selbst. Ich bin glücklich. Ich kann dir ohne Hass gegenübersitzen. Das ist ein Wunder, John. Das ist ein Wunder, das in dieser Kirche jeden Tag geschieht.« Er drückte innig meine Hand und musterte mich neugierig. »Du solltest dich uns anschließen. Du siehst … Du siehst einsam aus. Als würdest du nirgendwo hingehören. Bist du einsam?«
    »Ich weiß es nicht. Ich denke eigentlich nicht darüber nach.«
    »Unsere Gemeinschaft in North Virginia ist die zweitgrößte im ganzen Land. In Reverend Swansons Kirche haben fünftausend Menschen Platz, und dennoch ist sie bei praktisch jeder Messe überfüllt. Denk darüber nach. Denk darüber nach, wie es sich anfühlen würde zu wissen, dass alle diese Menschen an deiner Seite stehen. Tausende unsichtbare Kräfte, von denen du nicht einmal wusstest, dass sie existieren, und die dich durch die Welt begleiten. Vielleicht

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