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Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Titel: Die Unsterblichen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Drew Magary
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Flüssigkeit auf ihrem Handgelenk hatte. Ich zuckte zurück.
    »Ich wurde angewiesen, Ihnen etwas Flüssigkeit zu verabreichen«, sagte sie.
    »Könnten Sie sich die Hände waschen, bevor sie es tun?«
    Sie war entweder gekränkt oder verärgert – ich konnte es nicht abschätzen. »Natürlich.« Sie ging zurück zu dem Gerät mit der Handdesinfektionslösung, drückte einmal und rieb ihre Hände aneinander. Dann kam sie wieder auf mich zu.
    Ich zuckte wieder zurück. »Mit Seife und Wasser?«
    Nun war sie wirklich verärgert. Sie ging zur Toilette und kam wieder heraus, wobei sie sich die Hände an ihrem OP-Kittel trocken rieb. Sie hängte mich an die Salzlösung und verschwand. Zwei Stunden später wurde ich zu einer Kernspintomografie gerufen. Weitere zwei Stunden später – es war schon längst ein neuer Tag angebrochen und der Formschalensitz aus Plastik war bereits mit meinem Hintern verschmolzen – tauchte plötzlich ein Arzt lässig vor mir auf. Er verschwendete keine Zeit. Ich wusste, dass er in Gedanken bereits zehn Patienten weiter war.
    »Ihr EKG sieht stabil aus, Mr. Farrell«, sagte er. »Aber die Kernspintomografie hat gezeigt, dass eine Ihrer Arterien zu fünfundneunzig Prozent verstopft ist. Es ist offensichtlich, dass Sie einen leichten Herzinfarkt erlitten haben. Solange die Arterie verstopft ist, werden Sie ab und zu dieses beengende Gefühl spüren.«
    »Können Sie die Arterie freimachen?«, fragte ich.
    »Keine Versicherung würde die Kosten dafür tragen. Nicht in Ihrem Alter. Können Sie es sich leisten, es selbst zu bezahlen? Dann könnte ich Ihnen vielleicht einen Termin im Dezember anbieten.«
    »Dezember? Mein Gott. Ich weiß es nicht.«
    »Nun, Sie müssen sich nicht gleich entscheiden. Gehen Sie nach Hause und besprechen Sie es mit Ihrer Frau.«
    »Sie ist meine Schwester.«
    »Besprechen Sie es mit Ihrer Familie. Aber warten Sie nicht zu lange. Sie wollen das doch nicht bis zweitausendsechzig aufschieben.«
    »Und was mache ich in der Zwischenzeit?«
    »Machen Sie nur nichts, was Ihr Herz belasten würde.«
    »Könnten Sie etwas konkreter sein?«
    »Nicht wirklich. Versuchen Sie einfach, es so leicht wie möglich zu nehmen. Und nehmen Sie die hier.« Er gab mir ein Rezept für Medikamente und verschwand. Polly führte mich aus dem Krankenhaus und zu ihrem Elektroauto. Ich hatte sechsunddreißig Stunden in einem Krankenhaus verbracht, und in meinem Körper war dennoch nichts in Ordnung gebracht worden. Polly holte ihre Chips-Tüte hervor und begann zu essen. Ich griff nach der Tüte, doch dann erinnerte ich mich an den verwelkten Muskel, der sanft in meiner Brust schlug, und ich zog die Hand zurück. Eine kleine Freude, die nun chirurgisch entfernt worden war. Polly hörte aus Mitleid auf zu essen. Sie sah mich forschend an und dachte gar nicht daran, den Zündschlüssel umzudrehen. Sie wollte nicht starten, bevor sie nicht in meinen Augen gesehen hatte, dass ich bereit war weiterzumachen.
    Ich ließ meine Fassade fallen und begann, vor Wut zu kochen. Das Krankenhaus schien mehr ein Trugbild als ein Ort zu sein, an dem man eine medizinische Behandlung erwarten konnte. Sie kümmerten sich einen Scheiß um die Menschen. Sie ließen bloß alle leidend herumhängen. Ich dachte an Julia und sah vor meinem inneren Auge, wie sie voller Ekstase gestorben war. Ich hatte sie besser behandelt, als jeder Arzt es gekonnt hätte. Ich hatte ihr geholfen. Ich hatte meine Grenzen überschritten, um ihr zu geben, was sie brauchte.
    Ich ignorierte mein schlechtes Gewissen für einen Augenblick und genoss das erfüllende Gefühl, ihr einen angemessenen Abgang beschert zu haben. Ich nahm die Erinnerung an. Und plötzlich änderte sich alles. Ich fühlte mich nicht mehr hoffnungslos und hilflos. Ich fühlte mich wie neu aufgeladen. Ich freute mich darauf, meinen Job wieder aufzunehmen, genau jetzt, in diesem Moment. Matt hatte recht gehabt. Ich kannte den Job nicht so, wie ihn die anderen kannten. Aber jetzt schon. Jetzt hatte ich es erkannt.
    Polly klopfte mir auf die Schulter und gab mir eine frische Flasche Wasser. »Es wird alles gut werden, John.« Sie dachte noch immer, dass ich Angst hatte und mutlos war.
    Ich setzte mich auf und sprach zu ihr, als erfreute ich mich bester Gesundheit. »Das weiß ich. Und ich weiß genau, wie ich damit umgehen werde.«
    »Wirklich?«
    »Du kannst das Auto starten, ich bin bereit.«
    GEÄNDERT AM:
    30.06.2059, 12:02 Uhr

»Du bist jetzt ein richtiger

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