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Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Titel: Die Unsterblichen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Drew Magary
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nicht«, sagte sie. »Er war ein Idiot. Erzähl mir bloß nicht, dass du mittlerweile auch ein Idiot bist.«
    »Ein bisschen vielleicht, befürchte ich. Ich bin Scheidungsanwalt. Das stumpft einen Mann ab.«
    Damit verebbte unsere Unterhaltung. Als ich noch jünger war, verfiel ich in Panik, wenn die Unterhaltung mit einer Frau einen Augenblick lang zum Stillstand kam. Und ich bemühte mich verzweifelt darum, die Leere zu füllen, indem ich irgendetwas sagte. Meistens war es etwas Sinnloses. Etwas Bescheuertes. Dieses Mal tat ich es nicht. Ich ließ den Moment verstreichen.
    Sie fuhr mit dem Finger über den Rand ihres Glases. »Diese Frau, mit der du das Kind hast. Hättest du sie geheiratet, wenn du dich nicht hättest deaktivieren lassen?«
    »Ja. Ja, das hätte ich. Aber ich habe es nicht getan. So ist es nun einmal.«
    »Was ist dein Deaktivierungsalter?«
    »Neunundzwanzig. Und deines?«
    »Du hast mich geschlagen. Meines ist einunddreißig.«
    »Das tut mir leid.«
    »Ich kann nicht glauben, dass ich jetzt zwei Jahre älter bin als du. Das ist unfair.«
    »Du siehst keinen Tag älter aus als dreißig, wenn dich das tröstet.«
    »Ach, hör auf damit!« Sie ließ ihren Blick durch die Bar schweifen. »Ermüdet es dich nicht manchmal?«
    »Was?«, fragte ich.
    »Das hier. Das ganze Getue. In eine Bar gehen. Sich zwischen die Leute zwängen, um etwas zu trinken. Ermüdet es dich nicht?«
    »Jede Woche.«
    »Als ich mich deaktivieren ließ, hatte ich genau das im Sinn. Darauf freute ich mich, auf das ganze Feiern und all diesen Schwachsinn. Ich dachte mir, dass ich immer eine gute Zeit haben würde, doch dann heiratete ich, und es begann, mich zu ermüden. Und dann wurde ich geschieden, und es begann, mich wirklich zu ermüden. Trotzdem mache ich es immer noch. Ich glaube, mir fehlt die Begeisterung. Niemand sollte sich in dieser Stadt langweilen. Niemand in unserem Alter. Und trotzdem tue ich es.«
    »Ich habe mich mit einem Typen angefreundet, der in jedem Land der Erde ein Jahr leben wird. Zweihundert Jahre lang.«
    »Das ist doch verrückt.«
    »Das habe ich auch gedacht. Aber es hat sich herausgestellt, dass er vollkommen recht hat.«
    »Würdest du es auch machen?«
    »Wenn ich den Mut dazu hätte. Oder vielleicht die richtige Gesellschaft. Es scheint albern zu sein, sich noch irgendwo verwurzelt zu fühlen. Ich fühle mich, als müsste ich eine Reise machen – eine Reise, die ich immer wieder aufschiebe. Ich habe immer eine Entschuldigung parat: Geld, die Arbeit, irgendeinen anderen Scheiß. Ich weiß auch nicht. Je länger ich es hinausschiebe, desto mehr Angst macht es mir. Ich sehe mein Kind an, und manchmal fühle ich mich, als wären wir gleich alt.«
    »Außer, dass du keine Windeln mehr trägst.«
    »Das kannst du doch gar nicht wissen.«
    Sie warf mir einen Blick zu. Ich bin alt genug, um zu erkennen, ob eine Frau mich mag oder nicht. Es ist eine dieser Fähigkeiten, die man erst später erwirbt und von der man sich wünscht, man hätte sie während der Schulzeit bereits gehabt, als man sie so dringend gebraucht hätte. Es ist eine Fähigkeit, die noch ausgeprägter wird, wenn man sich in einer Beziehung befindet und sie im Endeffekt nutzlos ist. Doch hier saß ich nun. Frei. Unbelastet. Sie sah mich an. Warf mir einen aufmunternden Blick zu. Ich war mittlerweile ein anderer Mann. Älter. Attraktiver. Unsterblich. Die Dinge können sich immer ändern. Immer.
    »Du siehst gut aus, John.«
    »Danke.« Ich gab das Kompliment absichtlich nicht zurück.
    »Hör zu, ich treffe mich gleich noch mit einem Freund zum Abendessen.« (Das war natürlich gelogen.)
    »Aber es hat Spaß gemacht. Wenn du Lust hast, in ein paar Wochen wieder einmal etwas trinken zu gehen …« Wenn ich Alison in der achten Klasse gefragt hätte, ob sie mit mir irgendwo hingehen wollte, dann hätte sie sofort gefragt, ob sie nicht noch vierzig andere Leute mitbringen konnte. Doch dieses Mal tat sie es nicht.
    »Unbedingt«, sagte sie.
    Ich gab ihr einen Kuss auf die Wange und verabschiedete mich. Ich spürte, wie sie mich beobachtete, als ich durch die Tür nach draußen ging und Callie, die an der Bar stand, zum Abschied zuwinkte. Als ich über die Schwelle und hinaus auf die Straße trat und sie mich nicht mehr sehen konnte, wurde mein Gesicht knallrot, und ich ließ den dreizehnjährigen Jungen für einen Augenblick heraus. Ich ging zehn Blocks und merkte, dass ich einen Ort brauchte, an dem ich zur Ruhe kommen und den Jungen

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