Die Unsterblichen: Roman (German Edition)
doch meiner Meinung nach widerspricht dies der Grundlage unserer Kirche.«
Auf Anweisung des Sektenführers Thomas Maskin verabschiedete die Stadt 2020 ein Gesetz, in dem die Verbreitung und die Anwendung des Heilmittels als strafbar deklariert werden. Maskin, den die Mitglieder seiner Kirche als Propheten bezeichnen, der in direktem und ständigem Kontakt zu Gott steht, erklärte, dass jeder, der sich deaktivieren ließe, aus der Kirche und damit auch aus Soda Springs geworfen würde. Darüber hinaus wären Personen von außerhalb, die sich hatten deaktivieren lassen, in der Stadt nicht mehr willkommen. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Stadt nicht von anderen kleinen evangelikalen Orten im ganzen Land, die das Heilmittel als Teufelszeug verdammen und aus denen zahlreiche bekanntermaßen gewalttätige Pro-Todes-Terroristen hervorgegangen sind, darunter auch Mörder wie Eric Freeman (Mount Olive, Mississippi), Gary Logan (Midland, Texas) und Casey Jarrett (Ada, Oklahoma).
Keiner dieser Terroristen stammt jedoch aus Soda Springs, weshalb das FBI bisher nicht auf die rasche Entwicklung der Gemeinde zu einer Pro-Todes-Zone aufmerksam wurde. Und so nutzten die Menschen in der Stadt das letzte Jahrzehnt den Vorteil der relativen Anonymität.
Die Mauer war Maskins Idee und wurde zur Gänze aus seiner eigenen Tasche bezahlt. (Spenden an die Kirchengemeinde und direkte Spenden auf das Bankkonto des Propheten sind hier ein und dasselbe.) Der Erlass, den er gegen das Heilmittel veröffentlicht hatte, war zum Großteil zeremoniell. Derzeit ist das Heilmittel im Staat Idaho legal zu erwerben, und die Stadt hat keine Berechtigung, es zu verbieten. Damit konnten sich Maskin und Haskell, Maskins Schwager, nicht abfinden.
»Es kam zu einem Zerwürfnis mit der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika«, sagt Haskell. »Wir hatten kein Interesse daran, noch länger Amerikaner zu sein, falls sich die Regierung weiter zurücklehnen und die Beleidigung unseres Herrn weiter mit ansehen wollte.«
Also entwickelte Maskin einen Plan, um die Stadt abzuspalten. Die Menschen in Soda Springs begannen mit dem Bau der Mauer, doch darüber hinaus verbrachten sie auch die gesamten 2020er Jahre damit, Ressourcen einzulagern: Nahrungsmittel, Treibstoff, Getreide, Feuerholz, Kohle und Wasser aus den örtlichen Quellen. Am Rande der Stadt wurden riesige Lagerhäuser errichtet, um die Vorräte zu lagern. Die Kirche baute ein einfaches Miniaturkraftwerk, in dem Kohle verbrannt werden sollte, um Strom für die Häuser zu erhalten. Außerdem kaufte die Kirche Waffen. Viele Waffen. Haskell schätzt, dass die Stadt über genügend Munition verfügt, um »ein kleines Land wie etwa Costa Rica oder so« zu besiegen. Darüber hinaus entwarf Maskin eine eigene Verfassung, die das Gesetz regeln sollte, nach dem seine Leute leben würden. Sollte sich jemand deaktivieren lassen, so würde das nicht mehr nur eine einfache Bestrafung nach sich ziehen. Es würde mit dem Tod bestraft werden.
All diese Dinge gingen natürlich ohne das Wissen und ohne die Einwilligung des Staates Idaho vonstatten. Maskin zögerte die Fertigstellung der Stadtmauer absichtlich so lange hinaus, bis alle Vorräte eingelagert waren. Am Ende wurde jener Abschnitt gebaut, der die Route 30 von beiden Seiten abschnitt. Kurz nachdem der Bau der Mauer im April dieses Jahres abgeschlossen war, erhielt der Staat von keinem einzigen Einwohner von Soda Springs eine Einkommenssteuererklärung. Maskins Plan zu Abspaltung der Stadt war in seinen Augen nun abgeschlossen. Soda Springs gehörte nicht mehr länger zu den Vereinigten Staaten von Amerika. Es war nun eine eigene, unabhängige Republik, die sich selbst nach ihren eigenen Wünschen verwalten konnte.
Es ist wohl überflüssig zu erwähnen, dass die Generalbundesanwältin der Vereinigten Staaten, Carol McAvoy, die Sache etwas anders sieht.
»Soda Springs ist nach wie vor ein Teil der Vereinigten Staaten von Amerika, und die Bürgerinnen und Bürger der Stadt, die sich absichtlich zu diesem Steuerbetrug entschlossen haben, werden offiziell als Gesetzesbrecher behandelt.«
McAvoy gibt jedoch zu, dass es eine heikle Angelegenheit sei, eine ganze Stadt strafrechtlich zu verfolgen, vor allem, wenn sich diese hinter einer Schutzmauer verschanzt.
»Wir wollen nicht, dass sich die Fehler der Vergangenheit wiederholen«, sagt sie und bezieht sich damit auf die gewaltsamen Vorfälle ins Waco, Ruby Ridge und zuletzt auch in Elephant Butte,
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