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Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Titel: Die Unsterblichen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ketil Bjørnstad
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Als Eltern konnten sie das Erotische der Choreographie nicht gerade hervorheben, aber Marit Salvesen betonte genau das, sprach über den Tanz als einem durchgängig sexuellen Phänomen. Das sei nicht zu leugnen, »wenn sich Körper ineinander verschlingen«, wie sie mit einem lauten, aufreizendem Lachen sagte. Diese Aussage schien sie in gewisser Weise physisch zu befriedigen. Line strahlte. Sie verschlang jedes Wort, und jetzt meldete sich Annika:
    »Papa hat heute ein neues Wort erfunden«, rief sie.
    Thomas Brenner schaute die Tochter verdutzt an. »Was meinst du?«
    »Die Unsterblichen ! Und das sind wir! Das bist du, Line. Denn die Vestkantpakistani sind unsterblich! Jedenfalls für uns! Wir werden sie nie vergessen! Prost auf die Unsterblichen!«
    »Ja, Prost auf die Unsterblichen«, schloß sich die Ballettmeisterin an. »Das sind wir, das Tanzinstitut!«
    Thomas Brenner merkte, daß Annika allmählich betrunken wurde. Sie neigte dann schnell zum Übereifer, dachte er, aber Line schien sich wirklich zu freuen über das nichtssagende Geschwätz. Verärgert versuchte sich Thomas Brenner zu erinnern, in welchem Zusammenhang er im Restaurant dieses Wort gesagt hatte. Es waren die Alten gewesen, die er beschreiben wollte, nicht einmal das begriff Annika. Für einen Augenblick wurde er wütend auf die Tochter, aber es sollte noch schlimmer kommen, denn plötzlich schaute Annika in die Runde und sagte triumphierend:
    »Außerdem haben wir noch etwas zu feiern!«
    Ihm fiel sofort ein, was sie meinte, und er hob abwehrend die Arme. »Nein, Annika! Nein, habe ich gesagt!«
    Sie hörte nicht auf ihn. Sie schaute ihre jüngere Schwester mit einem merkwürdigen Lächeln an. »Papa wird den Verdienstorden des Königs in Gold erhalten, Line!«
    Das war unerträglich. Er hätte seiner Ältesten am liebsten den Mund zugehalten und sie aus dem Zimmer befördert. »Hör auf, Annika! Außerdem ist auch Silber denkbar.«
    »Natürlich wird es Gold sein!«
    »Aber das Ganze ist noch gar nicht sicher!«
    »Klar ist das sicher! Wenn diese Mildred …« Sie sah fragend ihren Vater an.
    »Låtefoss« mischte sich Elisabeth munter ein. Für sie war es offenbar lustig, dachte er aufgebracht.
    »… ja, Låtefoss sogar zu Papa ins Sprechzimmer kommt, dann ist es abgemacht.«
    Thomas Benner fing den Blick der Ballettmeisterin auf. Er sah ein begehrliches Leuchten, als verbinde sie mit dieser Information neue Ideen für ihr Tanzinstitut. Sie war offenbar nicht in der Lage, an etwas anderes zu denken.
    »Verdienstorden«, murmelte er. »Das ist doch nicht der Rede wert.«
    Aber da wurde Marit Salvesen lebendig. »Sagen Sie das nicht«, sagte sie. »Ein Orden kann Dinge auf den Punkt bringen. Und das ist keineswegs unwichtig in unserer materiellen und zynischen Zeit.« Und während ihre Hand seine Schultern streifte: »Ich habe das Gefühl, daß Sie kein materieller und zynischer Mensch sind.«
    Er hörte Elisabeth kichern, was ihn ein wenig kränkte, auch wenn er wußte, daß sie nicht seinetwegen kicherte. Es war so absurd, hier zu stehen und über einen hypothetischen Verdienstorden in Gold oder Silber zu reden, während es eigentlich darum ging, Line zu feiern. Aber Line schien sich ehrlich zu freuen und umarmte ihn spontan.
    »Ach, Papa, ich freue mich so für dich!«
    »Aber darüber wollen wir doch jetzt nicht reden!« schrie er beinahe. »Das ist Lines Tag.«
    »Und der Tag des Tanzinstituts!«
    Er merkte, daß er nicht übel Lust hatte, über Marit Salvesens toupiertes Haar und den fülligen Körper Cava zu kippen. Ein schlechtes Zeichen, dachte er. Fing er an, die Kontrolle zu verlieren? War er einfach überfordert? Die Verpflichtungen des nächsten Tages meldeten sich im Unterbewußtsein. Außerdem war sein Wort von den Unsterblichen mißverstanden worden.
    Eine Stunde später standen sie immer noch da und prosteten sich zu, aber die Stimmung war bereits trostlos. Worüber sollte man noch reden? Marit Salvesen hatte sich an dem Verdienstorden festgebissen und wollte genauer wissen, welche Verdienste erforderlich waren, um ihn zu kriegen. Wirklich erstaunlich, dachte Thomas Brenner, wie manche Leute ihre geheimsten Wünsche und Ambitionen bloßlegten. Man konnte ja direkt ihre Gedanken sehen. Sie wollte nichts verbergen. Vielleicht hätte sie nichts dagegen, sich in durchsichtigem Kostüm auf der Bühne zu zeigen. Vielleicht sehnte sie sich danach.
    Es war wie immer Elisabeth, die die Initiative zum Aufbruch ergriff. Sie gähnte,

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