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Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Titel: Die Unsterblichen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ketil Bjørnstad
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schaute auf die Uhr und stellte fest, daß es spät war.
    Aber sie durften nicht gehen. Line wollte eine letzte Flasche aufmachen. Es bedrückte ihn, daß beide Töchter dazu neigten, zuviel zu trinken. Zugleich war es nett anzusehen, wie sie jetzt engumschlungen dastanden, wie zwei Freundinnen, und über irgend etwas redeten, was sie unmöglich gemeinsam haben konnten. Sie waren doch intelligente, moderne junge Frauen, dachte Thomas Brenner. Warum hatte keine von ihnen einen Freund? Line hatte mit einigengeschlafen. Das wußte er. Bevor sie auszog, waren mehrmals schleimige Typen im Brenner-Haus aufgetaucht, und die rhythmischen Geräusche in ihrem Zimmer waren unverkennbar. Sie hatte außerdem einmal geheult und Liebeskummer gezeigt. Aber jetzt? Kein männliches Wesen in weitem Umkreis. Wie schön wäre es, wenn sie wenigstens einen Freund hätte, der zu ihr hielt! Das wäre viel besser. Auch für Annika. Und nicht zuletzt für ihn und Elisabeth. Line war jetzt damit beschäftigt, die Flasche zu öffnen. »Verdammt!« rief sie, und es spritzte, aber da war es schon passiert. Der Flaschenhals war abgebrochen. Und in ihrer Verwirrung bohrte sich Line den spitzen Hals ins linke Handgelenk. Das Blut spritzte, und die Ballettmeisterin fiel mit einem dumpfen Laut ohnmächtig zu Boden. Aber niemand kümmerte sich um sie. Thomas Brenner sah sofort, daß der Schnitt nicht ungefährlich war. »Schnell, den Notarzt anrufen«, sagte er. Elisabeth reagierte sofort. Annika war wie gelähmt vor Schreck. Die Ballettmeisterin lag immer noch am Boden.
    »Das wird schon wieder«, sagt er zu Line, die ihn ängstlich anstarrte. »Das ist nicht so schlimm, wie es aussieht.« Er holte den Verbandskasten, den er ihr zum Einzug geschenkt hatte, und behandelte die Wunde, die ihn unangenehm an Selbstmordpatienten erinnerte. Wie konnte die Tochter nur so ungeschickt sein. Warum hatte sie die Flasche nicht einfach fallen lassen. Dieser irrationale Ärger war lächerlich, aber er hatte schon früher immer wieder festgestellt, wie ungeschickt sich die Töchter benahmen. Er war deprimiert ihretwegen, aber nicht direkt besorgt, und legte einen straffen Verband an.
     
    »Ich fahre mit ins Krankenhaus«, bellte er die andern an, ohne es unfreundlich zu meinen. Annika half nun der Ballettmeisterin. Sie stand auf und wußte nicht, wo sie war. Thomas Brenner stützte Line und warf Elisabeth einen Blick zu. So hatten sie sich häufig angeschaut, und er erinnerte sich daran, was zwischen ihnen war, ihre gemeinsamen Erlebnisse, die sie zusammengeschweißt hatten, so daß sie ihre Erinnerungen oft verwechselten. Das habe doch ich erlebt und nicht du! Sie verließen sich in allem völlig aufeinander. Sie wußte, daß er jetzt die nötige Verantwortung übernahm, daß Line in guten Händen war, weil er es gesagt hatte.
    »Aber du hast den morgigen Tag mit deiner Mutter vor dir«, sagte sie. Daran wollte er jetzt nicht denken, und er sagte mit der Stimme des Arztes, der weiß, was er tut:
    »Ich kümmere mich um Line. Danach werde ich zu euch nach Hause kommen.«
    Sie hörten bereits die Sirene der Ambulanz unten auf der Straße. Etwas übertrieben, aber er war froh, daß sie kam. Er sah, daß Line blaß war. Obwohl er die Wunde versorgt hatte, wollte er sie im Krankenhaus anschauen lassen, ein besserer Verband war nötig und vielleicht ein Beruhigungsmittel.
    »Wir nehmen den Aufzug«, sagte er zu seiner Tochter. »Das schaffen wir doch, oder? Dann müssen sie nicht mit der Trage die Treppen hinauf.«
    Sie nickte abwesend, war in ihrer eigenen Welt. Die Ballettmeisterin winkte ihrer Schülerin dramatisch nach. Annika stützte sich auf Elisabeth. Das war kein Weltuntergang. Ein kleines Mißgeschick, was er auch zu Line sagte, als sie im Aufzug standen. Sie nickte.
    »Ich bin so dumm. Das ist so typisch.«
    »Mach dir keine Gedanken. Solche Dinge passieren alle Tage. Das wird schon wieder.«
    Sie begann zu weinen. »Ohne dich bin ich nichts, Papa!«
    »Du bist eine Menge«, sagte er und strich ihr über den Kopf. »Und heute war ein Festtag. Vergiß das nicht.«
    »Haben sie dir wirklich gefallen? Die Vestkantpakistani ?«
    »Ich fand die Vorführung ausgezeichnet.«
    »Und der andere Tanz?«
    »Der war auch gut. Aber nicht so gut wie das, was du aufgeführt hast.«
    Thomas Brenner öffnete die Aufzugtür und mußte die Sanitäter, die schon im ersten Stock waren, zurückrufen.
    »Ich bin ihr Vater und außerdem Arzt«, erklärte er den jungen Kerlen mit

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