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Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Titel: Die Unsterblichen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ketil Bjørnstad
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Natürlich graut ihr davor!«
    »Und ich gehe jetzt schlafen«, sagte Thomas Brenner, erleichtert darüber, daß die Tochter damit zufrieden war, ohne weiter darüber zu reden, was am nächsten Tag geschehen würde.
    Sie stand auf. Er nahm sie kurz in den Arm und wünschte ihr gute Nacht. Dann ging er ins Bad und duschte ausgiebig. Er verstand die Leute nicht, die sich ungewaschen ins Bett legten, mit dem Tagesschmutz im Pyjama, auf dem Laken und der Decke. Als er ins Schlafzimmer kam, hörte er einen Laut von Elisabeth. Ein Zeichen, daß sie wach war. Und als er sich leise, man konnte ja nie wissen, neben sie gelegt hatte, hörte er, wie sie fragte:
    »Wie ist es gegangen?«
    »Keine Probleme«, erwiderte er. »Die Wunde war einfach zu verarzten.«
    »Gut, dann schlafe ich weiter«, sagte sie und drückte seine Hand. »Ich bin sehr müde.«
     
    Er küßte sie leicht auf die Wange. Sie war im Halbschlaf und reagierte nicht wie sonst. Er lag wach und hörte auf ihre Schlafgeräusche. Als wollte er eine besondere Art des Schnarchens erkennen. Idiotisch. Gab es einen Unterschied zwischen gesundem und krankem Schnarchen? War sie wirklich müder als sonst? Sorge und Angst wechselten sich ab in seinen Gedanken. Vielleicht sollte er sich wieder ein Boot kaufen. Einfach davonsegeln. Weit weg. Wo ihn niemand finden konnte.

2
    Er wurde zuerst wach. Das war auch neu, dachte er. Sonst weckte sie ihn, strich ihm sanft über die Wange, aber in den letzten Wochen war es nicht so gewesen. Sie hatte länger geschlafen als er, wenn sie nicht zur Arbeit mußte, denn da hatte sie ihren eigenen Wecker. Sie hatten nicht darüber geredet. Solche kleinen Schwingungen im Zusammenleben ließen sie meistens auf sich beruhen. Wenn er spät nach Hause kam, entweder von einer Sitzung mit Kollegen oder wenn er, um alte Kontakte nicht einschlafen zu lassen, mit Freunden unterwegs war, auch wenn das immer seltener vorkam, ließ sie ihn schlafen, bis er selbst aufstehen wollte. Sie vertraute darauf, daß er seinen Zeitplan einhielt und keine Dummheiten machte. Selbst mit rotgeränderten Augen und nach Alkohol riechend war er immer pünktlich in der Praxis. Derartige Ausschweifungen erlaubte er sich allerdings nur selten. Das Leben hatte seinen Rhythmus gefunden. Aber er hatte unruhig geschlafen. Die Gedanken, die er beim Einschlafen hatte, weckten ihn wieder auf. Außerdem hatte etwa um vier Uhr morgens das Herzjagen wieder eingesetzt, bekanntlich die übliche Zeit für Menschen, die darunter litten. Es gefiel ihm nicht, daß sich die Beschwerden so rasch wieder meldeten. Das war ungewöhnlich. Meistens vergingen zwischen den Anfällen mehrere Wochen. Aber schon während der Sommerferien hatte er gemerkt, daß die Anfälle häufiger kamen, hatte sich aber kaum Gedanken darüber gemacht. Seine eigene Gesundheit war ihm nie besonders wichtig gewesen. Erhatte sich auf seinen Körper verlassen, hielt sich einigermaßen in Form, spielte Squash und Tennis. Andererseits wußte er, daß die Art seiner Herzbeschwerden streßbedingt war. Das waren keine Beschwerden, die man auf Sport oder Training zurückführen konnte wie bei Leuten, die am Wasalauf teilnahmen oder beim Birkebeinerrennen mitmachten. Der Sommer war der Wendepunkt gewesen. Vielleicht hatte auch er unbewußt gedacht, daß Elisabeth dort in der Sommerhütte im Regen etwas ausgestrahlt hatte, was ihm erst jetzt bewußt geworden war, nachdem er den Knoten in ihrer rechten Brust gespürt hatte. Oder war es die linke? Er konnte sich nicht mehr erinnern. Und das schockierte ihn. Jeder normale Mensch würde doch in der Lage sein, sich zu merken, in welcher der Brüste seiner Liebsten der Knoten saß, wenn er in einer Situation gewesen wäre, in der man das spüren konnte. Und Thomas Brenner war das ganz eindeutig gewesen. Konnte er sich wirklich nicht mehr erinnern, ob er sich rechts oder links von ihr befunden hatte, als seine Hand ihre Brust gestreichelt hatte? War er tatsächlich nicht in der Lage, etwas nachzuempfinden, was vor einem Tag geschehen war? Darüber grübelte er auf dem Weg ins Bad, wo er im Spiegel seinem Blick begegnete, ein Bild, das jedesmal ein eher unangenehmes Gefühl hervorrief, besonders, wenn er daran dachte, daß er auf Fotografien noch schlechter aussah. Aber Herrgott noch mal, dachte er, an einem Tag wie diesem sollte er weder an sich noch an Elisabeth denken. Dies war der große und schwierige Tag seiner Mutter. Bergljot Brenners endgültiger Abschied von der Wohnung, in

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