Die Unsterblichen
noch Augen für Stada.« Ich presse die Lippen zusammen und warte darauf, dass er antwortet, beobachte, wie er aus dem Pool klettert und auf mich zukommt, so schön, nass und glitzernd. Ich gebe mir alle Mühe, wieder zu Atem zu kommen.
»Ever, ich -« Er schließt die Augen und seufzt. Als er sie wieder öffnet, macht er noch einen Schritt auf mich zu und sagt: »Es war nie meine Absicht, dir wehzutun. Niemals.« Er legt die Arme um mich und versucht, mich zu sich herumzudrehen. Schließlich gebe ich nach, und er sieht mir in die Augen und fährt fort: »Ich habe es nicht ein einziges Mal darauf angelegt, dir wehzutun. Und es tut mir leid, dass du das Gefühl hast, ich hätte mit deinen Gefühlen gespielt. Ich habe dir ja gesagt, in so etwas bin ich nicht besonders gut.« Lächelnd vergräbt er die Finger in meinem nassen Haar, ehe er die Hände wieder löst und eine rote Tulpe darin hält.
Ich starre ihn an, die kräftigen Schultern, die muskulöse Brust, den Waschbrettbauch und die bloßen Hände. Keine Ärmel, in denen man etwas verstecken, keine Taschen, in denen man etwas bei sich tragen könnte. Nur sein umwerfender, halb nackter Körper, die triefnasse Badehose und diese dämliche rote Tulpe in seiner Hand.
»Wie machst du das?«, frage ich und halte den Atem an. Mir ist verdammt klar, dass das Ding nicht aus meinem Ohr gekommen ist.
»Was?« Er lächelt, umfasst meine Taille und zieht mich an sich.
»Die Tulpen, die Rosenknospen, all das?«, flüstere ich und versuche, nicht darauf zu achten, wie sich seine Hände auf meiner Haut anfühlen, darauf, wie ich bei seiner Berührung warm und schläfrig werde, fast schon schwindlig.
»Das ist Magie.« Er lächelt. Ich mache mich los, greife nach einem Handtuch umwickele es fest um meinen Körper. »Warum kannst du eigentlich nie ernst sein?«, will ich wissen und überlege, worauf ich mich da eingelassen habe und ob noch Zeit für einen Rückzieher ist.
»Ich bin doch ernst«, brummelt er, zieht sich sein T-Shirt über und streckt die Hand nach seinem Autoschlüssel aus, während ich in meinem kalten, feuchten Handtuch schlottere und sprachlos zusehe, wie er zum Gartentor geht, mir über die Schulter zuwinkt und noch ruft: »Sabine ist zuhause«, ehe er mit der Nacht verschmilzt.
NEUNZEHN
Als ich am nächsten Tag auf den Parkplatz fahre, ist Damen nicht da. Während ich aussteige, mir meinen Rucksack über die Schulter hänge und mich auf den Weg zum Unterricht mache, halte ich mir im Geiste einen aufmunternden Vortrag und mache mich auf das Schlimmste gefasst.
Doch sobald ich das Klassenzimmer erreiche, kann ich mich nicht von der Stelle rühren. Stumm starre ich die grün gestrichene Tür an, unfähig, sie zu öffnen.
Da sich meine hellseherischen Fähigkeiten in Luft auflösen, sobald es um Damen geht, ist das Einzige, was ich sehen kann, der Albtraum, den ich mir im Kopf zurechtbastele. Der, in dem Damen auf Stacias Tischkante hockt, lacht und flirtet und überall an ihr Rosenknospen hervorholt, während ich vorbeischleiche, auf meinen Platz zustrebe und das warme, süße Schmeicheln seines Blicks glatt über mich hinweghuscht und er mir den Rücken zudreht, damit er sich auf sie konzentrieren kann.
Und ich kann das einfach nicht, ich kann es allen Ernstes nicht ertragen. Denn obwohl Stada grausam, gemein, grässlich und sadistisch ist, ist sie zufällig auf durchaus gradlinige Weise grausam, gemein, grässlich und sadistisch. Sie birgt keine Geheimnisse, verhüllt keine Mysterien; ihre Unfreundlichkeit ist eindeutig, unverbrämt zur Schau gestellt.
Während ich das genaue Gegenteil bin: paranoid, verschlossen, versteckt hinter einer Sonnenbrille und einem Kapuzensweatshirt, und mit einer so schweren Bürde geschlagen, dass nichts an mir einfach ist.
Wieder strecke ich die Hand nach dem Türknauf aus und rufe mich innerlich zur Ordnung: Das ist doch lächerlich. Was willst du denn machen - die Schule schmeißen? Du musst dich noch anderthalb Jahre damit rumschlagen, also reiß dich zusammen, und geh da rein.
Doch meine Hände beginnen zu zittern und wollen mir nicht gehorchen, und gerade als ich die Flucht ergreifen will, kommt ein Schüler von hinten, räuspert sich und fragt: »Ah - machst du die Tür jetzt auf oder nicht?« Und beendet die Frage im Kopf mit du durch geknallter Freak.
Also hole ich tief Luft, öffne die Tür und schlüpfe geduckt hinein. Und fühle mich mieser, als ich es mir jemals hätte vorstellen können, als ich
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