Die Unsterblichen
ist mit Wimperntusche und Tränen verschmiert und ihr neues rotes Haar ein wirres Durcheinander. »Sie haben Evangeline gefunden. Sie ist tot.«
»Was? Bist du sicher?« Gerade mache ich Anstalten, die Tür hinter ihr zu schließen, als Damen angebraust kommt, aus dem Wagen springt und auf uns zurennt.
»Evangeline -«, fange ich an, so verstört durch die Neuigkeit, dass ich meinen Entschluss vergessen habe, ihn zu hassen.
Er nickt und geht auf Haven zu, schaut sie an und fragt: »Alles okay?«
Sie schüttelt den Kopf und wischt sich übers Gesicht. »Ja, ich meine, ich hab sie ja gar nicht so gut gekannt, wir haben uns nur ein paar Mal getroffen, aber trotzdem. Es ist so schrecklich, und dass ich vielleicht die Letzte war, die sie gesehen hat...«
»Du warst ganz bestimmt nicht die letzte Person, die sie gesehen hat.«
Mit offenem Mund starre ich Damen an und frage mich, ob das irgendein abartiger Witz sein sollte, doch sein Gesicht ist todernst, und sein Blick geht in weite Ferne.
»Ich bin einfach ... Ich fühle mich so verantwortlich«, murmelt sie, vergräbt das Gesicht in den Händen und stöhnt wieder und wieder o Gott, o Gott, o Gott.
Ich mache ein paar Schritte auf sie zu, will sie irgendwie trösten, doch da hebt sie den Kopf, wischt sich die Augen und sagt: »Ich ... ich fand, du solltest das wissen, aber ich sollte mich auf den Weg machen. Ich muss zu Drina.« Sie hebt die Hand und klimpert mit ihren Autoschlüsseln.
Sie das so sagen zu hören, ist, als würde man Ol ins Feuer gießen, und ich starre Damen mit zusammengekniffenen Augen anklagend an. Denn obwohl die Freundschaft zwischen Drina und Haven ein Zufall zu sein scheint, bin ich mir sicher, dass es nicht so ist. Ich werde das Gefühl nicht los, dass da ein Zusammenhang besteht.
Damen beachtet mich gar nicht, sondern greift nach Havens Arm und mustert prüfend ihr Handgelenk. »Wo hast du das her?«, fragt er; seine Stimme ist angespannt, beherrscht, jedoch mit einem scharfen Unterton. Widerstrebend lässt er los, als sie mit einem Ruck den Arm wegzieht und die Hand über das Tattoo hält.
»Alles in Ordnung«, verkündet sie sichtlich verärgert. »Drina hat mir was zum Draufschmieren gegeben, so eine Salbe; sie hat gesagt, die wirkt in ungefähr drei Tagen.«
Damen spannt den Kiefer so hart an, dass seine Zähne knirschen. »Hast du die zufällig dabei? Diese ... Salbe?«
Haven schüttelt den Kopf und strebt auf die Tür zu. »Nein, die habe ich zuhause gelassen. Ich meine, Herrgott noch mal, was ist eigentlich los mit euch?« Sie fährt herum, und ihr Blick huscht zwischen uns hin und her. Ihre Aura flammt leuchtend rot. »Denn mir passt das überhaupt nicht, so ausgefragt zu werden. Ich meine, der einzige Grund, warum ich überhaupt vorbeigekommen bin, ist, weil ich dachte, ihr wollt das mit Evangeline vielleicht wissen. Aber da ihr nur mein Tattoo anglotzen und blöde Bemerkungen machen wollt, glaube ich, ich gehe lieber.« Im Eiltempo marschiert sie auf ihr Auto zu.
Ich rufe ihr nach, aber sie schüttelt lediglich den Kopf und beachtet mich nicht. Und unwillkürlich frage ich mich, was mit meiner Freundin passiert ist. Sie ist so mürrisch, so distanziert, und mir wird klar, dass sie mir schon seit einer ganzen Weile entglitten ist. Seit sie Drina begegnet ist, habe ich das Gefühl, sie eigentlich gar nicht zu kennen.
Ich sehe zu, wie sie in ihren Wagen steigt, die Tür zuknallt und rückwärts aus der Einfahrt fährt. Dann drehe ich mich zu Damen um. »Na, das war ja super. Evangeline ist tot, Haven hasst mich, und du hast mich ganz allein in einer Höhle sitzen lassen. Ich hoffe, du hast wenigstens ein paar Killerwellen erwischt.« Kopfschüttelnd verschränke ich die Arme vor der Brust.
»Um ehrlich zu sein, ja«, antwortet er und sieht mich unverwandt an. »Und als ich zu der Höhle zurückgekommen bin, habe ich gesehen, dass du weg bist, und bin sofort hergefahren.«
Ich mustere ihn, die Augen zusammengekniffen, die Lippen aufeinandergepresst. Nicht zu fassen, dass er tatsächlich erwartet, ich würde das glauben. »Tut mir leid, aber ich habe mich umgeschaut, und da draußen waren nur zwei Surfer. Zwei blonde Surfer, was so ziemlich ausschließt, dass du einer davon warst.«
»Ever, würdest du mich bitte mal ansehen?«, erwidert er. »Richtig ansehen? Was glaubst du denn, warum ich so aussehe?«
Also tue ich es, ich schaue an ihm hinunter. Und sehe seinen nassen Neoprenanzug, der den ganzen Boden mit Salzwasser
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