Die Unsterblichen
kreisen und sämtliche Gefühle hervorrufen, die zu verleugnen ich mich so sehr bemüht habe. Aber ich bin es müde, mich zu bemühen, bin es leid, zu leugnen. Ich will einfach nur wieder normal sein. Und was könnte normaler sein als das hier?
Ich schließe die Augen, als er mir das Sweatshirt auszieht, kapituliere, ergebe mich, lasse zu, dass er meine Jeans aufknöpft und sie abstreift. Willige ein in den Druck seiner Hand und das Pressen seiner Finger, sage mir, dass dieses wunderbare Gefühl, dieser träumerische Überschwang, der in mir aufwallt, nur eins sein kann - Liebe.
Doch als ich spüre, wie sich seine Daumen unter das Gummiband meines Slips haken und ihn hinunterziehen, setze ich mich jäh auf und schiebe ihn weg. Ein Teil von mir will weitermachen, will ihn wieder zu mir ziehen - nur nicht hier, nicht jetzt, nicht so.
»Ever«, flüstert er, und sein Blick sucht den meinen. Aber ich schüttele nur den Kopf und wende mich ab, fühle, wie sich sein warmer, wunderbarer Körper an meinen schmiegt, seine Lippen an meinem Ohr, die sagen: »Ist schon gut. Wirklich. Schlaf jetzt.«
»Damen?« Ich rolle mich herum und blinzele in dem trüben Licht; meine Hand erforscht den leeren Platz neben mir. Tappt wieder und wieder auf die Decke, bis ich überzeugt bin, dass er wirklich nicht da ist. »Damen?«, rufe ich abermals und schaue mich in der Höhle um. Das ferne Rauschen der Wellen ist die einzige Antwort.
Ich schlüpfe in mein Sweatshirt und stolpere hinaus, starre in das schwindende Licht des Nachmittags, suche mit den Blicken den Strand ab und rechne damit, ihn zu finden.
Doch als ich ihn nirgends entdecke, gehe ich wieder hinein, sehe den Zettel, den er auf meine Tasche gelegt hat, und entfalte ihn.
Bin surfen. Komme bald wieder. D.
Wieder eile ich nach draußen, den Zettel noch immer in der Hand, laufe am Wasser auf und ab und halte Ausschau nach Surfern, besonders nach einem. Aber die beiden einzigen dort draußen sind so blass und so blond, dass ganz eindeutig keiner von beiden Damen ist.
EINUNDZWANZIG
Als ich in unser Einfahrt einbiege, sehe ich überrascht jemanden auf den Stufen vor der Haustür sitzen zu sehen, doch als ich näher komme, bin ich sogar noch überraschter, zu erkennen, dass es Riley ist.
»Hey«, sage ich, schnappe mir meine Tasche und knalle die Autotür ein bisschen fester zu, als ich es vorhatte.
»Mann!« Kopfschüttelnd starrt sie mich an. »Ich dachte schon, du überfährst mich glatt.«
»Entschuldige, ich dachte, es wäre Damen«, sage ich und gehe auf die Haustür zu.
»O nein, was hat er denn jetzt wieder angestellt?« Sie lacht.
Doch ich zucke nur die Achseln und schließe die Tür auf. Ganz bestimmt werde ich ihr nicht sämtliche Einzelheiten berichten. »Was ist denn los, hast du dich ausgeschlossen?«, frage ich und lotse sie hinein.
»Sehr witzig.« Sie verdreht die Augen und geht in die Küche, wo sie sich an den Frühstückstresen setzt, während ich meine Tasche auf die Arbeitsplatte fallen lasse und den Kopf in den Kühlschrank strecke.
»Also, was gibt's?« Ich werfe ihr einen raschen Blick zu und frage mich, wieso sie so still ist; vielleicht ist meine schlechte Laune ja ansteckend.
»Nichts.« Sie stützt das Kinn in die Hand und sieht mich an.
»Sieht aber nicht nach nichts aus.« Anstelle des Riesenbottichs Eiscreme, auf den ich eigentlich Lust habe, nehme ich mir eine Flasche Wasser. Dann lehne ich mich an den Granittresen und bemerke, dass ihr schwarzes Haar wirr ist und ihr Wonder-Woman-Kostüm ziemlich schlaff an ihr hängt.
»Also, was willst du machen?«, fragt sie und lehnt sich so auf dem Stuhl zurück, dass ich mich innerlich krümme, obwohl sie ja nicht hintenüber kippen und sich wehtun kann. »Ich meine, hier wird doch der absolute Teenagertraum wahr, oder etwa nicht? Das ganze Haus für dich allein, keiner, der aufpasst.« Sie wackelt auf eine Art und Weise mit den Augenbrauen, die unecht wirkt, als würde sie sich zu sehr bemühen, eine fröhliche Fassade zu wahren.
Ich trinke einen Schluck Wasser und zucke mit den Schultern. Ein Teil von mir möchte sich ihr anvertrauen, meine Geheimnisse bei ihr abladen, die guten, die schlechten und die absolut widerwärtigen. Es wäre so schön, mir das alles von der Seele zu reden, diese ganze Last nicht allein zu tragen. Doch als ich sie von Neuem betrachte, fällt mir wieder ein, dass sie ihr halbes Leben damit verbracht hat, darauf zu warten, dass sie endlich dreizehn
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