Die Unsterblichen
will ich sichergehen, dass sie gesprengt bleiben. »Wolln wir zu mir fahrn?«, nuschele ich und hoffe, dass Sabine nicht zuhause ist, damit wir an den Wodka herankommen, der noch von Halloween übrig ist, und dafür sorgen können, dass der Schwips nicht aufhört.
Doch Haven schüttelt den Kopf. »Vergiss es«, wehrt sie ab. »Ich bin völlig fertig. Ich überlege gerade, ob ich den Wagen stehen lassen und nach Hause kriechen soll.«
»Miles?« Mit flehenden Augen sehe ich ihn an; ich will nicht, dass die Party endet. Dies ist das erste Mal, dass ich mich so leicht fühle, so frei, so unbeschwert, seit - na ja, seit Damen fortgegangen ist.
»Geht nicht.« Auch er schüttelt den Kopf. »Familienessen. Punkt halb acht. Krawatte nach Belieben. Zwangsjacke Pflicht.« Er lacht und rollt in den Sand, während Haven umkippt und sich ihm anschließt.
»Na, und was ist mit mir? Was soll ich machen?« Ich verschränke die Arme und funkele meine beiden Freunde böse an; ich will nicht allein gelassen werden und zusehen, wie sie lachen und zusammen herumkullern und mich gar nicht zur Kenntnis nehmen.
Obwohl ich am nächsten Morgen verschlafe, ist der erste Gedanke, der mir durch den Kopf geht, als ich die Augen öffne: Mein Kopf tut nicht weh. Jedenfalls nicht so wie sonst.
Dann rolle ich mich herum, greife unters Bett und hole die Wodkafiasche hervor, die ich gestern Abend dort versteckt habe. Ich nehme einen langen, tiefen Schluck und schließe die Augen, als die warme, wunderbare Betäubung des Alkohols meine Zunge überzieht und meine Kehle hinabgleitet.
Und als Sabine den Kopf in mein Zimmer steckt, um zu sehen, ob ich aufgestanden bin, sehe ich entzückt, dass ihre Aura verschwunden ist.
»Ich bin wach!«, verkünde ich, schiebe die Flasche unter ein Kissen und stürze mich auf sie, um sie zu umarmen. Ängstlich bestrebt, zu sehen, was für ein Energieaustausch dabei stattfindet, und hellauf begeistert, als nichts dergleichen geschieht. »Ist das nicht ein wunderschöner Tag?« Ich lächele, dabei fühlen sich meine Lippen seltsam an.
Sabine schaut aus dem Fenster und sieht dann wieder mich an. »Wenn du meinst.«
Ich schaue durch die Balkontür in einen Tag, der grau, bewölkt und regnerisch ist. Allerdings habe ich ja nicht vom Wetter gesprochen. Ich habe von mir geredet. Von meinem neuen Ich.
Das neue, bessere Ich ohne jegliche hellseherische Fähigkeiten.
»Erinnert mich an zuhause.« Achselzuckend streife ich mein Nachthemd ab und verschwinde unter der Dusche.
Sobald Miles in mein Auto steigt, wirft er einen einzigen Blick auf mich und stammelt: »Was zum ...?«
Ich blicke auf meinen Pulli hinunter, auf den Jeansmini und die Ballerinaslipper; Relikte, die Sabine von meinem früheren Leben aufgehoben hat, und ich lächele.
»Tut mir leid, aber ich fahre nicht mit Fremden«, sagt er, öffnet die Tür und tut so, als wolle er wieder aussteigen.
»Ich bin's, wirklich. Wenn ich lüge, will ich tot ... Na ja, glaub einfach, dass ich es bin.« Ich lache. »Und mach schon die Tür zu, das fehlt mir noch, dass du rausfällst und wir deswegen zu spät kommen.«
»Ich raff's nicht.« Mit offenem Mund starrt er mich an. »Ich meine, gestern hast du praktisch noch eine Burka getragen, und jetzt siehst du aus, als hättest du den Kleiderschrank von Paris Hilton ausgeräumt.«
Ich sehe ihn an.
»Nur mit mehr Klasse, mit viel mehr Klasse.«
Lächelnd trete ich aufs Gaspedal, so dass die Reifen von der nassen, schwammigen Fahrbahn abheben, und werde erst langsamer, als mir einfällt, dass mein innerer Cop-Radar nicht mehr vorhanden ist, und Miles losbrüllt.
»Ganz im Ernst, Ever, was zum Teufel geht hier ab? O Gott, bist du etwa immer noch betrunken?«
»Nein!«, antworte ich ein wenig zu schnell. »Ich fange nur allmählich an, aufzutauen, weißt du? Manchmal kann ich während der ersten ... paar ... Monate ein bisschen ... schüchtern sein.« Ich lache. »Aber verlass dich drauf, das hier bin ich so, wie ich wirklich bin.« Ich nicke nachdrücklich und hoffe, dass er mir das abkauft.
»Ist dir eigentlich klar, dass du dir ausgerechnet den verregnetsten, ekelhaftesten Tag des ganzen Jahres ausgesucht hast, um aufzutauen?«
Kopfschüttelnd fahre ich auf den Parkplatz, während ich erwidere: »Du hast ja keine Ahnung, wie wunderschön dieser Tag ist. Erinnert mich an zuhause.«
Ich stelle den Wagen in der nächsten Parklücke ab, dann rennen wir zum Tor und halten uns dabei die Rucksäcke als
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