Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Unsterblichen

Die Unsterblichen

Titel: Die Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alyson Noël
Vom Netzwerk:
Säufer.« Ich betrachte sie, wie sie da vor mir steht, so sicher, so selbstgefällig, so absolut zuversichtlich, und ich weiß, dass sie dazu durchaus berechtigt ist, sie hat mich auf frischer Tat ertappt. Und obgleich lediglich Indizienbeweise vorzuliegen scheinen, wissen wir doch beide, dass dem nicht so ist. Wir wissen beide, dass sie Recht hat.
    »Was willst du?«, flüstere ich schließlich, weil ich mir sage, dass jeder seinen Preis hat, ich muss nur herausfinden, worin ihrer besteht. Im Laufe des letzten Jahres habe ich genug Gedanken mitgehört, genug Visionen gesehen, um zu wissen, dass es so ist.
    »Also, zuallererst will ich, dass du aufhörst, mich zu nerven«, verkündet sie, verschränkt die Arme und klemmt sich den Beweis fest in die Achselhöhle.
    »Aber ich nerve dich doch gar nicht«, wende ich ein klein wenig undeutlich ein. »Du nervst mich.«
    »Au contraire.« Sie lächelt und mustert mich mit sengendem Blick. »Dich einfach nur Tag für Tag ansehen zu müssen, nervt. Und zwar wie.«
    »Willst du, dass ich den Englischkurs wechsele?«, frage ich und halte noch immer diese dämliche Flasche in der Hand; ich weiß nicht recht, was ich damit machen soll. Wenn ich sie in meinem Spind lasse, petzt sie, und die Flasche wird konfisziert, und wenn ich sie in meinen Rucksack stecke, passiert dasselbe.
    »Du weißt doch, dass du mir immer noch das Geld für das Kleid schuldest, das du bei deinem spastischen Tobsuchtsanfall neulich kaputt gemacht hast.«
    Das ist es also, Erpressung. Gut, dass ich auf der Rennbahn all die Kohle gewonnen habe.
    Hastig wühle ich in meinem Rucksack und finde meine Brieftasche; ich bin mehr als bereit, ihr das Geld zurückzuerstatten, wenn das hier damit ein Ende hat. »Wie viel?«, erkundige ich mich.
    Sie mustert mich eingehend, versucht, meinen unmittelbaren Nettowert zu schätzen. »Na ja, wie gesagt, das war ein Designerkleid ... und das kann man nicht so leicht ersetzen ... Also -«
    »Hundert?« Ich ziehe einen Hunderter heraus und halte ihn ihr hin.
    Sie rollt die Augen. »Obwohl mir ja klar ist, dass du so dermaßen keine Ahnung von Mode und allem anderen hast, was sich zu besitzen lohnt, musst du da wirklich noch zulegen. Pack mal noch ein bisschen was drauf«, sagt sie und beäugt mein Geldscheinbündel.
    Doch da Erpresser stets wiederkommen und immer mehr zu verlangen pflegen, weiß ich, dass es besser ist, das Ganze jetzt gleich zu erledigen, bevor es ausufern kann. Also sehe ich sie an und sage: »Da wir beide wissen, dass du dieses Kleid auf dem Rückweg von Palm Springs im Outlet gekauft hast« - ich lächele; mir fällt wieder ein, was ich an jenem Tag im Flur gesehen habe - »gebe ich dir das zurück, was das Kleid gekostet hat, und wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, waren das fünfundachtzig Dollar. Da ist ein Hunderter doch ziemlich großzügig, findest du nicht?«
    Ihr Gesicht verzerrt sich zu einem Grinsen, als sie den Schein nimmt und ihn tief in ihrer Tasche versenkt. Dann huscht ihr Blick zwischen der Wasserflasche und mir hin und her, und sie lächelt abermals, als sie fragt: »Und, willst du mir etwa nichts zu trinken anbieten?«
     
    Wenn irgendjemand mir gestern gesagt hätte, dass ich mich mit Stacia Miller auf der Toilette volllaufen lassen würde, ich hätte es niemals geglaubt. Aber genau das tat ich. Folgte ihr schnurstracks aufs Mädchenklo, wo wir uns eine Wasserflasche voll Wodka reinziehen konnten.
    Es geht doch nichts über gleiche Abhängigkeiten und verborgene Geheimnisse, um Menschen einander näherzubringen.
    Und als Haven hereinkam und uns so vorfand, fielen ihr fast die Augen aus dem Kopf. »Was geht denn hier ab?«
    Ich verfiel in einen kreischenden Lachanfall, während Stacia sie anblinzelte und lallte: »Komm nur rein, Grufff-tsssickke!«
    »Hab ich hier was verpasst?«, fragte Haven und schaute mit schmalen, misstrauischen Augen von einem zum anderen. »Soll das witzig sein?«
    Und wie sie dastand, so gebieterisch, so verächtlich, so absolut nicht erfreut, darüber mussten wir nur noch mehr lachen. Dann machten wir uns wieder ans Trinken, sobald die Tür hinter ihr zugeknallt war.
    Aber sich mit Stada auf der Toilette abzufüllen, verschafft einem nicht etwa Zugang zum VIP-Tisch. Und da ich klug genug bin, es gar nicht erst zu versuchen, strebe ich auf meinen üblichen Platz zu. Mein Kopf ist so zugemüllt und mein Gehirn so vernebelt, dass es einen Augenblick dauert, bis ich merke, dass ich auch dort nicht willkommen

Weitere Kostenlose Bücher