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Die Unsterblichen

Die Unsterblichen

Titel: Die Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alyson Noël
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behelfsmäßige Regenschirme über den Kopf, während unsere Schuhsohlen das Wasser gegen unsere Beine spritzen lassen. Und als ich Haven bibbernd unter dem Dachvorsprung stehen sehe, würde ich vor Freude am liebsten einen Luftsprung machen, weil sie keine Aura hat.
    »Was zum ...?« Ihr quellen fast die Augen über, als sie mich von oben bis unten mustert.
    »Ihr beide müsst echt mal lernen, einen Satz zu Ende zu bringen«, bemerke ich lachend.
    »Jetzt mal im Ernst, wer bist du?«, fragt sie und starrt mich immer noch ungläubig an.
    Miles lacht, legt die Arme um uns beide und führt uns durchs Tor. »Kümmer dich nicht um Miss Oregon, die findet einfach nur, dass heute ein wunderschöner Tag ist.«
    Im Englischunterricht bin ich erleichtert, dass ich nichts mehr hören oder sehen kann, was eigentlich nicht für mich bestimmt ist. Und obwohl Stacia und Honor miteinander flüstern und mit finsterer Miene meine Klamotten, meine Schuhe, meine Haare und sogar das Make-up betrachten, das ich aufgelegt habe, lasse ich das achselzuckend an mir abgleiten und kümmere mich um meine eigenen Angelegenheiten. Denn obgleich ich mir sicher bin, dass sie nichts auch nur annähernd Freundliches von sich geben, macht die Tatsache, dass ich keinen Zugang mehr zu dem Wortlaut an sich habe, einen Riesenunterschied aus. Als ich die beiden dabei ertappe, wie sie mich abermals ansehen, lächele und winke ich ihnen ganz einfach zu, bis es ihnen peinlich wird, und sie sich abwenden.
    Doch in der dritten Stunde, in Chemie, ist der Schwips fast ganz verflogen. Er weicht einem Dauerbeschuss aus Farben und Geräuschen, der mich zu überwältigen droht.
    Und als ich die Hand hebe und darum bitte, den Raum verlassen zu dürfen, schaffe ich es gerade noch durch die Tür, ehe es mich völlig übermannt.
    Unsicher stolpere ich zu meinem Spind und drehe wieder und wieder an dem Zahlenschloss, während ich versuche, mich an die richtige Nummernfolge zu erinnern. 24-18-12-3? Oder 12-18-3-24?
    Mit dröhnendem Kopf und tränenden Augen sehe ich mich auf dem Flur um, und dann habe ich es - 18-3-24-12. Ich wühle mich durch einen Haufen Bücher und Papiere, die dabei alle zu Boden fallen, doch ich achte nicht darauf, wie sie vor meinen Füßen landen, ich will nur an die Wasserflasche, die ich im Spind versteckt habe, sehne mich nach ihrer süßen, flüssigen Erlösung.
    Rasch schraube ich den Verschluss ab und lege den Kopf in den Nacken, nehme einen tiefen Zug, dem bald ein zweiter folgt, und dann noch einer und noch einer. Und in der Hoffnung, so die Mittagspause zu überstehen, trinke ich gerade noch einen letzten Schluck, als ich höre:
    »Und bitte recht freundlich lächeln. Nein? Macht nichts, ich hab's trotzdem.«
    Voller Entsetzen sehe ich Stacia auf mich zukommen und ein Fotohandy hochhalten, auf dessen Display ganz deutlich ein Bild von mir zu sehen ist, wie ich mich mit Wodka abfülle.
    »Wer hätte gedacht, dass du so fotogen bist? Aber schließlich haben wir ja auch nicht oft Gelegenheit, dich ohne deine Kapuze zu sehen.« Sie lächelt, und ihr Blick wandert von meinen Füßen bis zu meinem Pony.
    Ich starre sie an, und obwohl das Trinken meine Sinne abgestumpft hat, ist sonnenklar, was sie vorhat.
    »Wem soll ich das hier zuerst schicken? Deiner Mom?« Sie zieht die Brauen hoch und schlägt in gespieltem Schrecken die Hand vor den Mund. »Oh, entschuldige, tut mir leid. Ich wollte sagen, deiner Tante? Oder vielleicht einem von deinen Lehrern? Oder vielleicht allen deinen Lehrern?
    Nein? Nein, du hast Recht, das hier sollte auf kürzestem Wege an den Direktor gehen, eine Fliege mit einer Klappe. Ein sauberer Abschuss, wie es so schön heißt.«
    »Das ist eine Wasserflasche«, erwidere ich und bücke mich, um meine Bücher aufzuheben und sie wieder in den Spind zu stopfen. Dabei gebe ich mir alle Mühe, ganz locker zu wirken, so zu tun, als wäre mir das alles egal, denn ich weiß, dass sie Angst besser riechen kann als jeder Polizeispürhund. »Alles, was du in der Hand hast, ist ein Foto von mir, wie ich aus einer Wasserflasche trinke. Voll der Hammer.«
    »Eine Wasserflasche.« Sie lacht. »Ja, das stimmt. Und ungeheuer originell, wenn ich das hinzufügen darf. Bestimmt bist du die Allererste, die jemals darauf gekommen ist, Wodka in eine Wasserflasche zu füllen.« Sie verdreht die Augen. »Bitte. Du bist so was von erledigt, Ever. Ein kleiner Nüchternheitstest, und es heißt auf Wiedersehen, Bay View, Hallo, Akademie der Versager und

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