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Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Skloot
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Fluoreszenzfarbstoffen, die unter ultraviolettem Licht bunt aufleuchten. Ein geübtes Auge kann mit der FISH detaillierte Informationen über die DNA eines Menschen gewinnen. Der Laie sieht einfach ein hübsches Mosaik aus farbigen Chromosomen.
    Christoph hatte Henriettas Chromosomen mit der FISH »bemalt«
und ein Foto davon im Format 35 x 50 Zentimeter rahmen lassen. Es sah aus wie ein Nachthimmel voller vielfarbiger Glühwürmchen, die rot, blau, gelb, grün, violett und türkis leuchteten.
    »Ich möchte Ihnen ein wenig davon erzählen, was HeLa für mich als jungen Krebsforscher bedeutet und wie dankbar ich bin, dass sie vor Jahren diese Spende gemacht hat«, schrieb er. »Ich vertrete nicht das Hopkins, aber ich gehöre dazu. In gewisser Weise möchte ich mich sogar entschuldigen.« Deborah ließ ihre schwarze Baumwolleinkaufstasche auf den Fußboden fallen, riss das Einwickelpapier von dem Foto und hielt den Rahmen dann mit ausgestreckten Armen vor sich hin. Sie sagte nichts, sondern lief nur durch das geöffnete bodentiefe Fenster in den kleinen Innenhof, um das Bild im Licht der untergehenden Sonne zu betrachten.
    »Die sind ja wunderschön!«, rief sie von der Terrasse aus. »Ich hab gar nich gewusst, dass die so schön sind!« Das Bild umklammert kam sie wieder ins Zimmer; ihre Wangen waren gerötet. »Wissen Sie, was komisch is? Die Welt hat von den Zellen von meiner Mutter mehr Bilder als ich von ihr. Ich nehm an, das is der Grund, warum keiner weiß, wer sie is. Das Einzige, was noch da is, sind ihre Zellen.«
    Sie setzte sich auf das Bett und sagte: »Ich will in die Forschungslabors und Seminare gehen und lernen, was die Zellen von meiner Mutter gemacht haben. Ich will mit Leuten reden, die vom Krebs geheilt worden sind.« Sie wippte auf und ab wie ein aufgeregtes kleines Mädchen. »Schon wenn ich nur dran denke, will ich direkt losgehen. Aber dann passiert immer irgendwas, und ich versteck mich wieder.«
    Ich erzählte ihr, dass Lengauer sie in sein Labor eingeladen hatte. »Er will Ihnen Dankeschön sagen und Ihnen die Zellen Ihrer Mutter persönlich zeigen.«
    Deborah zeichnete die Chromosomen ihrer Mutter auf dem
Bild mit dem Finger nach. »Ich will hingehen und diese Zellen sehen, aber jetzt bin ich noch nich so weit«, sagte sie. »Mein Vater und meine Brüder sollten auch hingehen, aber die glauben, ich bin verrückt, weil ich hierhin komme. Die schreien immer nur ›die weißen Leute werden durch unsere Mutter reich, und wir kriegen nix‹.« Deborah seufzte. »Wir müssen von diesem Zeug mit den Zellen von meiner Mutter nich reich werden. Die sind da draußen und helfen den Leuten in der Medizin, und das is gut. Ich will nur, dass die Geschichte rauskommt und dass die Leute wissen, dass meine Mutter HeLa in Wirklichkeit Henrietta Lacks war. Und ich will Informationen über meine Mutter. Sie hat mich bestimmt gestillt, aber genau weiß ich es nich. Die Leute reden nich von meiner Mutter oder meiner Schwester. Das is, als wären die beiden nie geboren worden.« Deborah griff nach ihrer Tasche auf dem Fußboden und schüttete den Inhalt auf das Bett. »Das is alles, was ich von meiner Mutter hab«, sagte sie und zeigte auf den Haufen. Es waren viele Stunden unbearbeitete Videoaufnahmen aus der BBC-Dokumentation, ein zerfleddertes englischsprachiges Lexikon, ein Tagebuch, ein Lehrbuch der Genetik, viele Artikel aus Fachzeitschriften, Patentschriften und nicht abgeschickte Grußkarten, darunter mehrere Geburtstagskarten, die sie für Henrietta gekauft hatte, sowie eine Karte zum Muttertag. Die nahm sie jetzt von dem Stapel.
    »Die hier hab ich lange in meiner Brieftasche mit mir rumgetragen«, sagte sie und gab mir die Karte. Die Außenseite zeigte rosa Blüten auf weißem Grund, und innen stand in geschwungenen Buchstaben: »Möge der Geist unseres Herrn und Erlösers an diesem Tag bei dir sein, an dem du für alle Liebe, die du deiner Familie und deinen Angehörigen gegeben hast, geehrt wirst. Mit Gebeten und Liebe – Schönen Muttertag.« Die Unterschrift lautete »In Liebe, Deborah«.
    Zum größten Teil bestand der Inhalt ihrer Tasche aber aus herausgerissenen
Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln. Sie hob einen Bericht über ihre Mutter aus dem Boulevardblatt Weekly World News in die Höhe. Die Schlagzeile lautete DIE UNSTERBLICHE FRAU! Der Artikel stand zwischen einem Bericht über einen Hund mit telepathischen Fähigkeiten und einem anderen über ein Kind, das halb Mensch, halb Alligator

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