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Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Skloot
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an ihren Augen rieb. »Das lohnt sich nicht… Du musst es dem Herrn überlassen.« Seine Augenlider schlossen sich langsam, und er murmelte: »Was tut Deborah für Deborah?«

    Als sie nicht antwortete, sah er mich an und sagte: »Ich habe gerade mit Gott gesprochen – Er will, dass ich was sage, dass ich mich bewege.« Deborah nannte Gary den »Jünger«, weil er die Gewohnheit hatte, mitten in einem Gespräch plötzlich den Herrn einfließen zu lassen. Es hatte vor ungefähr 20 Jahren begonnen, als er 30 war – im einen Augenblick war er noch mit Trinken und Frauen beschäftigt gewesen, im nächsten hatte er mehrere Herzinfarkte und Bypassoperationen, und als er aufwachte, predigte er.
    »Ich hab versucht, Ihn hier rauszuhalten, schließlich haben wir schon genug Gesellschaft«, sagte er und grinste mich verlegen an. »Aber manchmal erlaubt Er einfach nicht, dass ich Ihn raushalte.«
    Der Blick von Garys braunen Augen wurde leer und unkonzentriert, als er langsam aus seinem Stuhl aufstand, die Arme weit ausbreitete und nach Deborah griff. Sie kam mit Mühe auf die Füße, humpelte auf ihn zu und schlang ihm die Arme um die Taille. In dem Augenblick, als sie ihn berührte, zuckte sein Oberkörper wie nach einem Elektroschock. Seine Arme waren eng an den Körper gepresst, seine Hände schlossen sich beiderseits um Deborahs Kopf – die Handflächen am Unterkiefer, die gespreizten Finger reichten vom Hinterkopf bis zum Nasenrücken. Dann fing das mit dem Schütteln an. Er drückte Deborahs Gesicht an seine Brust, während ihre Schultern in lautlosem Schluchzen zuckten und Gary die Tränen übers Gesicht liefen.
    Während sie vor und zurück wippten, hob Gary das Gesicht gen Himmel und begann, in einem betörend schönen Bariton zu singen.
    » Willkommen an diesem Ort… Willkommen in diesem zerbrochenen Gefäß. « Sein Gesang war anfangs leise, wurde aber mit jedem Wort lauter, bis er das ganze Haus erfüllte und über die Tabakfelder schallte. » Du erwartest das Lob Deines Volkes,
also hebe ich die Hand und hebe mein Herz und bringe Dir dieses Lob dar, o Herr .«
    »Du bist willkommen in diesem zerbrochenen Gefäß, o Herr«, flüsterte er und drückte Deborahs Kopf mit seinen Handflächen. Seine Augen öffneten und schlossen sich abwechselnd, und er begann zu predigen. Der Schweiß lief ihm übers Gesicht.
    »Dies hast Du gesagt in Deinem Wort, Herr, dass der GLÄUBIGE den Kranken die Hände auflegen kann, und sie sollen GESUND WERDEN!« Seine Stimme schwoll an und ab, vom Flüstern zum Schreien und wieder zurück. »ICH WEISS, Gott, dass es HEUTE ABEND manche Dinge gibt, die Ärzte NICHT TUN KÖNNEN!«
    »Amen, o Herr!« murmelte Deborah mit dumpfer Stimme, das Gesicht an seine Brust gepresst.
    »Wir danken Dir heute«, flüsterte Gary. »Denn wir brauchen Deine Hilfe bei diesen ZELLEN, o Herr … Wir brauchen Deine Hilfe, damit die LAST der Zellen von dieser Frau genommen wird! Nimm ihr diese Last, o Herr, nimm sie weg, wir BRAUCHEN sie nicht!«
    Deborah begann in Garys Armen zu zucken. Sie weinte und flüsterte: »Danke Dir, o Herr … Danke Dir, o Herr.« Gary kniff die Augen zusammen und rief gemeinsam mit ihr: »DANK DIR, O HERR! DANK DIR FÜR DIESEN TAG.« Ihre Stimmen wurden gemeinsam immer lauter, bis Gary innehielt. Tränen und Schweiß tropften von seinem Gesicht auf Deborah, als sie schrie: »Dank Dir, Jesus!« Dann ließ sie ihn mit einem Sturzbach von Hallelujas und »Gelobt sei Gott« los. Gary schaukelte vor und zurück und begann wieder zu singen; seine Stimme war jetzt tief und alt, als wäre sie die all jener Generationen, die vor ihm auf den Tabakfeldern gearbeitet hatten: » Ich weiß, der Herr war gut, o jaaaaaaaa… Ich weiß, der Herr war gut .«

    »Wirklich gut«, flüsterte Deborah.
    » Er hat Essen auf meinen Tisch gestellt … « Gary senkte die Stimme und summte, während Deborah sprach: »Zeig mir, welchen Weg ich gehen soll, o Herr. Zeig mir, wohin ich mit diesen Zellen gehen soll, o Herr, bitte . Ich werde alles tun, was Du willst, o Herr, nur hilf mir mit dieser LAST. Allein schaffe ich es nicht – ich dachte, ich könnte es. Aber ich kann es nicht ERTRAGEN, o Herr.«
    Mmmmmmmmmmmmmm mmmmmmmmmmmmmmmm mmmmmmmmmmmmm , summte Gary.
    »Danke, o Herr, dass Du mir diese Informationen über meine Mutter und meine Schwester geschenkt hast, aber bitte HILF MIR, denn ich weiß, ich kann diese Last allein nicht tragen. Nimm diese ZELLEN von mir, o Herr, nimm diese LAST. Nimm sie weg und

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