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Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Skloot
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er schließlich, »bitte, setz dich.«
    Deborah eilte zu einem Schaukelstuhl, der nicht weit von Gary entfernt stand, warf sich hinein und fing an, heftig zu schaukeln. Sie warf den Oberkörper vor und zurück, wobei sie sich gleichzeitig mit den Füßen abstieß, als wollte sie den Stuhl umwerfen.
    »Was wir erfahren haben, das wirst du nich glauben«, sagte sie.
    »Die ham die Zellen von meiner Mutter mit allen möglichen Giftstoffen und so Zeugs gespritzt, weil sie untersuchen wollten, ob Leute dran sterben.«
    »Dale«, sagte Gary, »du musst etwas für dich tun.«
    »Ich geb mir ja Mühe«, sagte sie. »Wusstest du, dass sie ihre Zellen auch Mördern im Gefängnis gespritzt haben?«
    »Ich meine, du musst dich entspannen«, sagte Gary.
    »Ich kann nich anders.« Deborah schüttelte den Kopf. »Ich mach mir andauernd Sorgen.«
    »Wie es in der Bibel heißt«, flüsterte Gary, »der Mensch bringt nichts mit in diese Welt und nimmt auch nichts mit, wenn er sie wieder verlässt. Manchmal machen wir uns zu viel Sorgen. Wir machen uns selbst dann Sorgen, wenn es nichts gibt, worüber man sich Sorgen machen müsste.«

    In einem Augenblick der gedanklichen Klarheit nickte Deborah und sagte: »Und wenn wir das tun, machen wir unseren Körper kaputt.«
    »Ich glaub, dir geht’s im Moment nicht so gut, Cuz. Nimm dir ein bisschen Zeit für dich«, sagte Gary. »Wenn ich mich in mein Auto setze und fahre, muss ich nicht immer irgendwohin, ich kann auch im Kreis fahren. Ich brauche nur Zeit, um mich mit der Straße unter mir zu entspannen. Irgendsowas braucht jeder.«
    »Wenn ich irgendwann mal Geld krieg«, sagte Deborah, »kauf ich mir’n Wohnmobil, damit kann ich hin und her fahren und muss nicht immer an der gleichen Stelle sein. Wenn du unterwegs bist, belästigt dich auch keiner.«
    Sie stand auf und fing wieder an, unruhig hin und her zu gehen.
    »Ich kann mich nur entspannen, wenn ich hierherfahre«, sagte sie. »Aber dieses Mal hab ich sogar beim Fahren dauernd darüber nachgedacht, was mit meiner Schwester und meiner Mutter passiert is.«
    In dem Augenblick, als Deborah die Worte Schwester und Mutter aussprach, rötete sich ihr Gesicht noch stärker, und sie geriet in Panik. »Weißt du, dass se meiner Mutter ihre Zellen in den Weltraum geschossen und mit Atombomben gesprengt haben? Se ham sogar dieses Dings gemacht… wie heißt das noch… hm … Klonen! … stimmt, die ham dieses Klonen mit ihr gemacht.«
    Gary und ich warfen uns nervöse Blicke zu und fingen gleichzeitig an zu reden; wir wollten sie aus ihrer Gedankenwelt zurückholen.
    »Es gibt keine Klone«, sagte ich. »Erinnerst du dich?«
    »Du brauchst keine Angst zu haben«, sagte Gary. »Das Wort Gottes sagt, wenn wir unseren Vater und unsere Mutter ehren, werden wir lange leben auf Erden, und das tust du doch, du
ehrst deine Mutter.« Er lächelte und schloss die Augen. »Ich mag diese Stelle aus den Psalmen«, sagte er zu ihr. »Da heißt es, wenn dein Vater oder deine Mutter krank wird, sorgt der Herr für dich. Sogar wenn du alle verlierst wie deine Mutter und deine Schwester, wird Gottes Liebe dich niemals im Stich lassen.«
    Aber Deborah hörte nichts davon.
    »Du wirst es nicht glauben«, sagte sie. »Weißt du noch, dass se ihre Zellen mit Mäusen gemischt und eine Menschenmaus hergestellt haben? Die sagen, sie is nich mal mehr ein Mensch!« Sie stieß ein lautes, manisches Lachen aus und lief zum Fenster.
    »Ach du Scheiße«, rief sie, »regnet’s draußen etwa?«
    »Der Regen ist dringend nötig«, flüsterte Gary, wobei er vor und zurück wippte.
    Deborah griff nach dem blauen Gummischlüsselband, das immer um ihren Hals hing. Darauf stand WWJD. »Was’n das?«, fragte sie, »’n Radiosender? Hab noch nie von WWJD gehört.« Sie wollte es sich vom Hals reißen.
    »Komm schon, Cuz, das heißt ›What Would Jesus Do‹ – was würde Jesus tun«, sagte Gary. »Das weißt du doch.«
    Deborah hörte auf, mit den Schlüsseln herumzuhantieren, und sank wieder in ihren Sessel. »Kannste das glauben, dass se ihr sogar das Aidsvirus gegeben und se in Affen gespritzt haben?« Sie starrte auf den Fußboden und wippte heftig vor und zurück. Ihre Brust ging mit jedem Atemzug schnell auf und ab. Gary schaukelte ruhig in seinem Stuhl und beobachtete Deborahs Bewegungen wie ein Arzt, der eine Patientin studiert. »Mach dich nicht verrückt wegen einer Sache, die du sowieso nicht ändern kannst«, flüsterte Gary ihr zu, als sie sich die roten Stellen

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