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Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Skloot
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Neugeborenen eine Untersuchung auf genetisch bedingte Erkrankungen vor.
    Und die Gewebeforschung nimmt immer mehr zu. »Früher hatte irgendein Wissenschaftler in Florida 60 Proben in seiner Gefriertruhe, und ein anderer in Utah hatte auch ein paar«, sagt die Molekularbiologin Kathy Hudson, die an der Johns Hopkins University das Genetics and Public Policy Center gründete und heute Personalchefin an den NIH ist. »Heute haben wir es mit riesigen, riesigen Mengen zu tun.« Im Jahr 2009 investierten die NIH 13,5 Millionen Dollar in die Entwicklung einer Gewebebank für die Proben, die den Neugeborenen im ganzen Land entnommen werden. Das National Cancer Institute ist seit einigen Jahren dabei, eine Sammlung anzulegen, die eines Tages vermutlich mehrere Millionen Gewebeproben für die Kartierung von Krebsgenen enthalten wird. Außerdem können seit einiger Zeit auch Privatleute Proben an Unternehmen wie 23andMe schicken, die individuelle DNA-Untersuchungen vornehmen und den Kunden nur dann persönliche Informationen über Gesundheit oder Abstammung mitteilen, wenn sich diese zuvor damit einverstanden erklären, dass ihre Proben für zukünftige Forschungsarbeiten aufbewahrt werden.
    Wissenschaftler nutzen solche Proben zur Entwicklung aller möglichen Dinge, von Grippeimpfstoffen bis hin zu Produkten zur Penisvergrößerung. Sie geben Zellen in Kulturschalen und bearbeiten sie dann mit Strahlen, pharmazeutischen Wirkstoffen, Kosmetika, Viren, Haushaltschemikalien oder biologischen Waffen und studieren jeweils die Reaktionen. Ohne Gewebeproben gäbe es keine Tests auf Krankheiten wie Hepatitis und HIV, keine Impfstoffe gegen Tollwut, Pocken
und Masern und keines der vielversprechenden neuen Medikamente gegen Leukämie, Brust- und Dickdarmkrebs. Und den Unternehmen, die zur Entwicklung solcher Produkte auf biologisches Material von Menschen zurückgreifen, würden Milliarden Dollar entgehen.
    Was man von alledem halten soll, ist gar nicht leicht zu sagen. Es ist ja nicht so, als würden Wissenschaftler dem Patienten einen Arm oder ein lebenswichtiges Organ stehlen, wenn sie ihm Gewebe entnehmen. Sie nutzen kleine Partikel von uns, von denen wir uns freiwillig getrennt haben. In vielen Fällen bedeutet das allerdings, dass jemand uns einen Teil von uns wegnimmt. Und wenn es um den eigenen Körper geht, haben viele Menschen einen starken Besitzanspruch, selbst wenn es sich nur um winzige Stücke handelt. Das gilt insbesondere dann, wenn sie erfahren, dass andere mit diesen Stücken Geld verdienen oder sie nutzen, um potenzielle schädliche Informationen über Gene und medizinische Vergangenheit zu gewinnen. Aber das Gefühl , man sei Eigentümer, hält vor Gericht nicht stand. Bis heute ist juristisch nicht vollständig geklärt, ob ein Mensch der Eigentümer seines Gewebes ist und das Recht hat, frei darüber zu verfügen. Solange das Gewebe zum Körper gehört, ist es eindeutig unseres. Wurde es aber herausgeschnitten, wird die rechtliche Situation unklar.
    Kathy Hudson leitet Gesprächsgruppen zur Frage nach der öffentlichen Wahrnehmung dieses Problems. Ihrem Empfinden nach könnte das Eigentumsrecht an Gewebe zum Gegenstand einer breiten Bewegung werden.
    »Ich höre förmlich schon, wie die Leute sagen: ›Nein, ihr dürft mir kein Gewebe entnehmen‹«, sagte sie mir. »Ich denke, wir sollten uns lieber rechtzeitig mit dem Problem auseinandersetzen und nicht einfach nur abwarten.«

    Im Wesentlichen geht es um zwei Themen: Einverständnis und Geld. Für die meisten Menschen ist das Wissen, ob und wie ihr Gewebe für die Forschung verwendet wird, viel wichtiger als ein eventueller Profit. Aber: Als die englischsprachige Originalausgabe dieses Buches in Druck ging, war für die Lagerung von Blut und Gewebe zu Forschungszwecken juristisch keine Einverständniserklärung erforderlich; das Gesetz, das solche Dinge regelt, gilt grundsätzlich nicht für die Gewebeforschung.
    Die US-Richtlinie zum Schutz von Versuchspersonen, auch Common Rule genannt, fordert Aufklärung und Einverständniserklärungen bei allen Forschungsarbeiten an menschlichen Versuchspersonen. In der Praxis gilt das aber für die Gewebeforschung zumeist nicht, und zwar aus zwei Gründen: Entweder wird sie nicht aus Bundesmitteln finanziert, oder die beteiligten Wissenschaftler kennen weder die Identität der »Spender«, noch haben sie unmittelbaren Kontakt mit ihnen – in diesem Fall gelten die Arbeiten nicht als Forschung an Menschen. Letztlich ist

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