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Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Skloot
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verdammt und könne nicht die Erlösung erlangen, wenn er nicht vollständig beigesetzt wird, ist das legitim, und man sollte es respektieren«, sagt Korn. Er räumt aber auch ein, dass Menschen solche Einwände nicht erheben können, wenn sie überhaupt nicht verstehen, wofür ihr Gewebe verwendet wird.
    »Wissenschaft ist nicht der höchste gesellschaftliche Wert«, hält Andrews entgegen und verweist auf Dinge wie Selbstbestimmung und persönliche Freiheit. »Man sollte einmal darüber nachdenken«, sagt sie. »Ich entscheide, wer nach meinem Tod mein Geld bekommt. Es würde mir nicht schaden, wenn ich sterbe und sie geben mein ganzes Geld jemand anderem. Aber für mich als lebenden Menschen ist es psychologisch nützlich, wenn ich weiß, dass ich mein Geld geben kann, wem ich will. Niemand kann sagen: ›Man sollte ihr nicht erlauben, dieses oder jenes mit ihrem Geld zu tun, weil dieses oder jenes für die Gesellschaft nicht den größten Nutzen bringt.‹ Ersetzt man in diesem Satz aber das Wort Geld durch Gewebe , dann hat man genau die Logik, mit der viele Menschen sich dagegen aussprechen, den Spendern das Bestimmungsrecht über ihr Gewebe zu überlassen.«
    Wayne Grody, der Leiter des Labors für diagnostische molekulare Pathologie an der University of California in Los Angeles, war früher ein engagierter Gegner von Einverständniserklärungen in der Gewebeforschung. Nachdem er aber jahrelang
mit Leuten wie Andrews und Clayton diskutiert hat, nimmt er heute einen gemäßigten Standpunkt ein. »Ich bin ziemlich überzeugt, dass wir den zusätzlichen Schritt tun sollten und so zu einem guten, vielschichtigen Einverständnisprozess kommen«, sagte er zu mir. Wie das funktionieren soll, kann er sich allerdings nach wie vor nicht vorstellen. »Dieses Gewebe fließt zusammen mit Millionen anderen in eine Art Pipeline«, sagte er. »Wie soll man da unterscheiden? Der eine Patient sagt, wir dürfen den Dickdarmkrebs studieren; der nächste sagt, wir können tun, was wir wollen, aber wir dürfen es nicht kommerziell nutzen. Ich meine, müssen sie alle farbig gekennzeichnet werden?« Außerdem betont Grody, dass alle Einverständnisfragen sich nur auf die Gewinnung zukünftiger Proben beziehen dürfen, nicht aber auf die vielen Millionen, die bereits gelagert sind, darunter auch HeLa. »Was sollen wir machen?«, fragt er. »Sollen wir sie alle wegwerfen?«
    Für den Fall, dass das Thema der Einverständniserklärungen vernachlässigt würde, sieht Robert Weir, der Gründer des Zentrums für biologisch-medizinische Ethik an der University of Iowa, nur eine mögliche Konsequenz: »Wenn die Patienten nicht sehen, dass ihr Beitrag gewürdigt wird, werden sie Zuflucht bei den Gerichten suchen.« Weir befürwortet weniger Klagen und mehr Transparenz. »Legen wir die Dinge offen auf den Tisch, und formulieren wir juristische Richtlinien, mit denen wir alle leben können«, sagt er. »Die einzige Alternative besteht darin, vor den Kadi zu ziehen.« Tatsächlich enden solche Fälle häufig vor Gericht, insbesondere, wenn dabei auch Geld im Spiel ist.
     
    Was das Geld angeht, so stellt sich nicht die Frage, ob menschliches Gewebe und die Gewebeforschung kommerziell genutzt werden. Das ist bereits der Fall und wird auch weiterhin so sein. Ohne kommerziellen Nutzen würden die Unternehmen
die Medikamente und diagnostischen Tests gar nicht erst produzieren, auf die so viele Menschen angewiesen sind. Die Frage ist vielmehr, wie man mit der kommerziellen Verwertung umgeht: Soll man von den Wissenschaftlern verlangen, dass sie die Patienten über die gewinnorientierte Nutzung ihres Gewebes aufklären? Und welche Stellung haben die Menschen, die das Rohmaterial liefern, in diesem Markt?
    Menschliche Organe und Gewebe für Transplantationen oder medizinische Therapie zu verkaufen verstößt gegen die Gesetze; es ist aber völlig legal, sie weiterzugeben und Gebühren für ihre Gewinnung und Verarbeitung zu erheben. Für die Industrie gibt es keine gesonderten Zahlen, schätzungsweise kann ein menschlicher Körper aber zwischen 1000 und fast 15 000 Dollar einbringen. Dass man Zellen eines einzelnen Menschen findet, die wie die von John Moore Millionen wert sind, kommt allerdings äußerst selten vor. Genau wie eine einzelne Maus oder Taufliege für die Forschung nicht übermäßig nützlich ist, so sind auch die meisten einzelnen Zelllinien und Gewebeproben für sich allein genommen kaum etwas wert. Ihre Bedeutung für die

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