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Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Skloot
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die Common Rule also auf die meisten Forschungsarbeiten an Gewebe nicht anwendbar.
    Wenn Ärzte heute das Gewebe ihrer Patienten ausschließlich für Forschungszwecke gewinnen, wie es bei Henrietta der Fall war, müssen sie die Betreffenden aufklären und ihr Einverständnis einholen. Wird Gewebe aber im Rahmen diagnostischer Maßnahmen wie beispielsweise der Biopsie eines Muttermals gewonnen und erst später zu Forschungszwecken verwendet, ist eine solche Einverständniserklärung nicht erforderlich. Die meisten Einrichtungen lassen sie sich dennoch geben, aber das wird nicht einheitlich gehandhabt. Manche füttern den Patienten mit so vielen Informationen, dass sie ein kleines Buch füllen würden, und erklären ihm genau, was mit dem Gewebe geschieht. Die meisten jedoch ergänzen das Formular nur um eine Zeile, die besagt, dass jedes entnommene
Gewebe zu Ausbildungs- und Forschungszwecken verwendet werden darf.
    Nach Angaben von Judith Greenburg, der Leiterin der Abteilung für Genetik und Entwicklungsbiologie am National Institute of General Medical Science, gibt es bei den NIH heute »sehr strenge Richtlinien«, die für jede Entnahme von Gewebe für die Gewebebanken eine Einverständniserklärung vorschreiben. »Es ist sehr wichtig, dass die Spender verstehen, welche Auswirkungen die Gewebeforschung haben kann«, sagt sie. Aber die Richtlinien gelten nur für die Forschung an den NIH und sind juristisch nicht bindend.
    Nach Ansicht der Anhänger des Status quo ist die Verabschiedung neuer Gesetze speziell für Gewebeentnahmen unnötig, und die derzeitigen Aufsichtsmaßnahmen reichen aus. Sie verweisen auf die Gutachtergremien der einzelnen Einrichtungen, auf die vielen berufsspezifischen Richtlinien wie beispielsweise den Ethikkodex der American Medical Association (der vorschreibt, dass Ärzte ihre Patienten informieren müssen, wenn Gewebeproben für Forschungszwecke verwendet werden oder zu finanziellen Gewinnen führen können) und auf mehrere Richtlinien im Gefolge des Nürnberger Kodex, darunter die Erklärung von Helsinki und den Belmont-Report, die alle eine Einverständniserklärung verlangen. Richtlinien und Ethikempfehlungen sind aber keine Gesetze, und nach Ansicht vieler Beobachter, die das Recht der Gewebespender stärken wollen, reichen die internen Kontrollmechanismen nicht aus. Über das einfache Wissen hinaus, dass ihr Gewebe für Forschungszwecke verwendet wird, sollten Spender nach Ansicht mancher Aktivisten beispielsweise auch bestimmen dürfen, dass ihr Gewebe nicht für Forschung im Zusammenhang mit Kernwaffenentwicklung, Abtreibung, Rassenunterschieden, Intelligenz oder anderen Zwecken verwendet wird, die ihren Überzeugungen widersprechen. Sie halten es auch für wichtig,
dass Spender darüber befinden dürfen, wer Zugang zu ihrem Gewebe hat, da sie befürchten, die durch die Forschungsarbeiten gesammelten Informationen könnten zum Nachteil des Spenders verwendet werden.
    Im Jahr 2005 verklagten Angehörige des amerikanischen Ureinwohnerstammes der Havasupai die Arizona State University: Wissenschaftler hatten Gewebeproben, die Stammesangehörige für die Diabetesforschung gespendet hatten, ohne deren Einwilligung zur Erforschung von Schizophrenie und Inzest verwendet. Das Verfahren läuft noch. Im Jahr 2006 erfuhren rund 700 junge Mütter, dass die Ärzte ihre Plazenten ohne ihre Einwilligung für die Suche nach Anomalien verwendet hatten, damit die Klinik sich in zukünftigen Gerichtsverfahren wegen Geburtsfehlern besser verteidigen konnte. Und in einer Hand voll Fällen wurden ohne Einwilligung durchgeführte genetische Untersuchungen dazu verwendet, Arbeitern Schadenersatzzahlungen oder Leistungen der Krankenversicherung zu verweigern (eine Gefahr, vor der die Bürger seit 2008 durch den Genetic Information Nondiscrimination Act geschützt sind).
    Fälle wie diese dienen einer wachsenden Zahl von Interessenvertretern – Ethikern, Anwälten, Ärzten und Patienten – als Anlass, um auf neue Vorschriften zu drängen, die den Menschen das Recht geben, selbst über ihr Gewebe zu bestimmen. Und immer mehr Gewebe»spender« bemühen sich darum, die Kontrolle über ihre Gewebeproben und die darin enthaltene DNA gerichtlich durchzusetzen. Im Jahr 2005 forderten 6000 Patienten, die Washington University solle ihre Gewebeproben aus ihrer Prostatakrebs-Gewebebank entfernen. Die Universität weigerte sich, und die Proben waren Gegenstand jahrelanger Prozesse. Bisher haben zwei Gerichte gegen

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