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Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Skloot
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hätte, wenn sie Weiße gewesen wäre, und wenn ja, wie, lässt sich unmöglich sagen. Nach Angaben von Howard Jones erhielt sie die gleiche
medizinische Versorgung wie die weißen Patientinnen; die Biopsie, die Radiumbehandlung und die nachfolgenden Bestrahlungen waren zu jener Zeit Standard. Wie sich jedoch in mehreren Studien gezeigt hat, wurden schwarze Patienten erst in einem späteren Stadium ihrer Krankheit behandelt und in die Klinik aufgenommen als Weiße. Und wenn sie im Krankenhaus waren, bekamen sie weniger Schmerzmittel; gleichzeitig war ihre Sterblichkeit höher.
    Das Einzige, was wir mit Sicherheit wissen, sind die Fakten aus Henriettas Krankenakten: Wenige Wochen nachdem der Arzt ihr gesagt hatte, sie sei gesund, kam sie wieder ins Hopkins und erklärte, aus den »Beschwerden«, über die sie beim letzten Mal geklagt habe, sei nun ein beidseitiger starker Schmerz geworden. Die Eintragung des Arztes jedoch lautete genau wie einige Wochen zuvor: »Kein Hinweis auf Rezidiv. Neuerliche Untersuchung in einem Monat.«
    Zweieinhalb Wochen später hatte Henrietta starke Bauchschmerzen und konnte kaum noch Wasser lassen. Wegen der Schmerzen fiel ihr das Gehen schwer. Wieder begab sie sich ins Hopkins; dort legte ein Arzt einen Katheter, um die Blase zu leeren, und schickte sie dann nach Hause. Als sie drei Tage später zurückkam und wieder über Schmerzen klagte, drückte ihr ein Arzt auf den Bauch und spürte eine »steinharte« Masse. Die Röntgenaufnahme zeigte, dass die Geschwulst an der Beckenwand hing und die Harnröhre nahezu vollständig blockierte. Der Dienst habende Arzt ließ Jones und mehrere andere Kollegen rufen, die Henrietta behandelt hatten; alle untersuchten sie und betrachteten sich die Röntgenaufnahme. »Inoperabel«, sagten sie. Wenige Wochen nachdem ein Eintrag sie für gesund erklärt hatte, schrieb einer der Ärzte in die Akte: »Die Patientin wirkt chronisch krank. Sie hat offensichtlich Schmerzen.« Er schickte sie nach Hause und ins Bett.
    Sadie beschrieb Henriettas Verfall später so: »Sie ist nicht verloschen,
wissen Sie, ihr Blick, ihr Körper, das ist nicht verloschen. Manche Leute liegen ja mit Krebs im Bett und sehen richtig schlecht aus. Sie nicht. Nur in ihren Augen konnte man sehen, dass da etwas war. Die Augen haben einem gesagt, dass sie nicht mehr lange leben wird.«
     
    Bis zu diesem Zeitpunkt wusste außer Sadie, Margaret und Day noch niemand, dass Henrietta krank war. Dann wussten es plötzlich alle. Wenn Day und die Vettern nach der Schicht von Sparrows Point nach Hause gingen, hörten sie schon aus einer Entfernung von einem Häuserblock, wie sie wimmerte und Gott um Hilfe bat. Als Day sie in der folgenden Woche zur Röntgenaufnahme ins Hopkins fuhr, war ihr Bauch bereits voller steinharter Tumore: Einer befand sich an der Gebärmutter, einer an jeder Niere, und nur einen Monat nachdem sie in der Krankenakte als gesund bezeichnet worden war, notierte ein anderer Arzt: »Angesichts des rapide fortschreitenden Krankheitsprozesses ist die Prognose sehr schlecht.« Die einzige Möglichkeit, so fuhr er fort, waren »weitere Bestrahlungen in der Hoffnung, damit zumindest die Schmerzen zu lindern«.
    Henrietta konnte nicht mehr vom Haus bis zum Auto gehen, aber irgendwie schaffte es Day oder einer der Vettern tagtäglich, sie zur Bestrahlung ins Hopkins zu bringen. Ihnen war nicht bewusst, dass sie bald sterben würde. Sie glaubten, die Ärzte bemühten sich immer noch darum, sie zu heilen.
    Von Tag zu Tag erhöhten Henriettas Ärzte die Strahlendosis. Sie hofften, die Tumore würden dadurch schrumpfen, so dass wenigstens die Schmerzen nachließen. Jeden Tag war die Haut an ihrem Bauch immer dunkler verbrannt, und die Schmerzen verschlimmerten sich.
    Am 8. August, eine Woche nach ihrem 31. Geburtstag, kam Henrietta wieder zur Behandlung ins Hopkins, aber dieses
Mal erklärte sie, sie wolle bleiben. Der Arzt schrieb: »Patientin klagt über starke Schmerzen und scheint in einem sehr schlechten Zustand zu sein. Sie hat einen weiten Weg zur Klinik und hätte es verdient, im Krankenhaus bleiben zu dürfen, wo sie auch besser versorgt werden könnte.«
    Zu Beginn ihrer stationären Behandlung nahm eine Krankenschwester Henrietta Blut ab und beschriftete das Gefäß mit dem Wort FARBIG. Dann brachte sie es ins Lager für den Fall, dass Henrietta später eine Transfusion brauchen würde. Wieder einmal legte ein Arzt ihre Füße in die gynäkologischen Beinhalter und entnahm

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