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Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Skloot
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ihr Zellen aus dem Muttermund. George Gey hatte sie angefordert, weil er wissen wollte, ob eine zweite Charge ebenso gut wachsen würde wie die erste. Aber Henriettas Organismus war so mit Giftstoffen verseucht, die normalerweise mit dem Urin ausgeschieden werden, dass ihre Zellen in der Gewebekultur sofort abstarben.
    In den ersten Tagen ihres Klinikaufenthalts kamen die Kinder mit Day zu Besuch, aber wenn sie wieder gingen, weinte und stöhnte Henrietta stundenlang. Wenig später sagten die Schwestern, Day dürfe die Kinder nicht mehr mitbringen, weil es Henrietta zu stark aufrege. Von nun an parkte Day seinen Buick täglich zur gleichen Zeit hinter dem Hopkins und setzte sich mit den Kindern an der Wolfe Street, unmittelbar unter Henriettas Fenster, auf ein kleines Stück Rasen. Dann schleppte sie sich ans Fenster, presste Hände und Gesicht an die Scheibe und sah ihren Kindern zu, wie sie auf der Wiese spielten. Wenige Tage später aber schaffte es Henrietta nicht einmal mehr bis zum Fenster.
    Die Ärzte versuchten vergeblich, ihr Leiden zu lindern. »Demerol hat offenbar keinen Einfluss auf die Schmerzen«, schrieb einer von ihnen, also probierte er es mit Morphium: »Auch dies hilft nicht allzu gut.« Jetzt gab er ihr Dromoran. »Das Zeug wirkt«, schrieb er. Aber nicht lange. Schließlich spritzte
einer der Ärzte ihr reinen Alkohol ins Rückenmark. »Injektionen erwiesen sich als Fehlschlag«, notierte er anschließend. Jeden Tag tauchten jetzt neue Tumore auf – an den Lymphknoten, an den Hüftknochen, an den Schamlippen -, und meistens hatte sie hohes Fieber, bis zu 41 Grad. Die Ärzte stellten die Strahlentherapie ein und gaben sich dem Krebs offenbar ebenso geschlagen wie sie selbst. »Henrietta ist ein elender Fall«, schrieben sie. »Sie stöhnt.« »Ihr ist ständig übel, und sie behauptet, dass sie alles erbricht, was sie isst.« »Patientin akut verwirrt … sehr ängstlich.« »Nach meinem Dafürhalten haben wir alles getan, was getan werden konnte.«
    Aus den Aufzeichnungen geht nicht hervor, dass George Gey je bei Henrietta im Krankenhaus gewesen wäre oder ihr irgendwelche Informationen über ihre Zellen gegeben hätte. Alle, mit denen ich gesprochen habe und die es wissen könnten, erklärten übereinstimmend, Gey und Henrietta seien sich nie begegnet. Alle – mit einer Ausnahme: Laure Aurelian, eine Mikrobiologin, die am Hopkins Geys Kollegin war.
    »Ich werde es nie vergessen«, sagte Aurelian. »George hat mir erzählt, er habe sich über Henriettas Bett gebeugt und gesagt: ›Ihre Zellen werden Sie unsterblich machen.‹ Er erklärte Henrietta, ihre Zellen würden das Leben unzähliger Menschen retten, und daraufhin lächelte sie. Sie erwiderte, sie sei froh, dass ihre Schmerzen wenigstens für etwas gut seien.«

9
    Turner Station
    E in paar Tage nach meinem ersten Telefongespräch mit Day fuhr ich von Pittsburgh nach Baltimore. Ich wollte mich mit seinem Sohn treffen, David »Sonny« Lacks Jr. Er hatte mich endlich zurückgerufen und einem Treffen zugestimmt – wie er sagte, war er es leid, ständig meine Nummer auf seinem Pager zu sehen. Was ich damals noch nicht wusste: Zuvor hatte er fünfmal bei Pattillo angerufen und ihn über mich ausgefragt. Wir hatten verabredet, dass ich mich auf Sonnys Pager meldete, wenn ich in Baltimore war. Dann wollte er mich abholen und mich ins Haus seines Bruders Lawrence bringen; dort sollte ich seinen Vater und – wenn ich Glück hatte – auch Deborah kennen lernen. Also checkte ich im Holiday Inn in der Innenstadt ein, setzte mich mit dem Telefon auf dem Schoß aufs Bett und wählte die Nummer von Sonnys Pager. Keine Antwort.
    Durch das Fenster meines Hotelzimmers starrte ich auf einen hohen, gotisch wirkenden Backsteinturm auf der anderen Straßenseite. Er wurde von einer riesigen Uhr gekrönt. Sie hatte die Farbe von verwittertem Silber, und rund um das Zifferblatt standen kreisförmig die Buchstaben B-R-O-M-O-S-E-L-T-Z-E-R. Ich beobachtete, wie die Zeiger langsam über die Buchstaben glitten, wählte alle paar Minuten Sonnys Pager an und wartete darauf, dass das Telefon klingelte.
    Schließlich griff ich nach dem dicken Telefonbuch von Baltimore, schlug den Buchstaben L auf und fuhr mit dem Finger über eine Liste von Namen: Annette Lacks… Charles Lacks… Ich wollte schon alle Personen namens Lacks anrufen und fragen, ob sie Henrietta kannten, aber ich hatte kein Handy und wollte die Leitung nicht blockieren. Also wählte
ich noch einmal die

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