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Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Skloot
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zäh! Die hält Turners Station auf Vordermann, echt! Die hat vor keinem Angst!«
    Die Männer auf der Veranda nickten alle und sagten: »Allerdings!«
    »Du musst keine Angst haben, dass jemand kommt und Mama überfällt, wenn wir gerade nicht da sind«, sagte Mike, »denn die erschreckt jeden zu Tode.« Speeds Söhne ließen einen
Chor von Amens hören, und Mike erzählte: »Da ist mal dieser Mann in den Laden gekommen und hat gebrüllt: ›Ich komm jetzt über den Tresen, dann hab ich dich.‹ Ich hab mich hinter Mama versteckt, so’ne Angst hatte ich! Und wisst ihr, was Mama gemacht hat? Sie hat den Kopf geschüttelt und die Arme in die Luft gestreckt und gesagt: ›Na los! Komm schon! Wenn du verrückt bist, versuch es ruhig!‹«
    Mike gab mir einen Klaps auf den Rücken, und alle Söhne lachten.
    In diesem Augenblick erschien Courtney Speed unten an der Treppe. Sie hatte die langen dunklen Haare lose auf dem Kopf aufgetürmt, lockige Strähnen hingen ihr in das schmale, hübsche und vollkommen alterslose Gesicht. Ihre Augen waren von einem hellen Braun mit einem hellblauen Ring außen herum. Sie war zierlich und hatte überhaupt nichts Hartes an sich. Eine Einkaufstüte an die Brust gedrückt sagte sie: »Und? Ist der Mann über den Tresen gesprungen?«
    Mike quiekte und lachte so laut, dass er nicht antworten konnte.
    Ruhig und mit einem Lächeln sah sie ihn an: »Ich habe gefragt: Ist der Mann gesprungen? «
    »Nein, ist er nicht«, erwiderte Mike und grinste. »Der Typ ist nur noch abgehauen! Deshalb hat Mama auch keine Knarre im Laden. Die braucht sie gar nicht!«
    »Ich lebe nicht von der Knarre!«, sagte sie. Dann wandte sie sich lächelnd an mich. »Und? Wie geht’s Ihnen?« Sie stieg die Stufen hoch und betrat den Laden. Wir anderen folgten ihr.
    »Mama«, sagte Keith, »der Pastor hat diese Frau hergebracht. Sie heißt Miss Rebecca und will mit dir reden.«
    Courtney Speed setzte ein hübsches, fast schüchternes Lächeln auf; ihre Augen strahlten hell und mütterlich. »Gott segne Sie, meine Liebe«, sagte sie.
    Der verschlissene Fußbodenbelag drinnen war größtenteils
mit platt getretenen Pappkartons bedeckt. An allen Wänden standen Regale, manche waren leer, manche voll mit Wonder Bread, Reis, Toilettenpapier und Gläsern mit eingemachtem Eisbein. Auf einem hatte Speed Hunderte von Ausgaben der Baltimore Sun bis zurück in die Siebzigerjahre gestapelt – damals war ihr Mann gestorben. Wie sie mir erklärte, hatte sie es längst aufgegeben, nach jedem Einbruch die Fensterscheiben zu erneuern, das wäre nur ein Anreiz, es wieder zu versuchen. An allen Wänden des Ladens hingen handgeschriebene Schilder: eines für »Sam the Man Snowballs«, andere von Sportvereinen, kirchlichen Gruppen, kostenlosen Volkshochschulveranstaltungen und Alphabetisierungskursen für Erwachsene. Sie hatte Dutzende von »Söhnen im Geiste«, die sie nicht anders behandelte als ihre sechs leiblichen. Wenn Kinder kamen, um Chips, Bonbons oder Limonade zu kaufen, ließ Speed sie jedes Mal ausrechnen, wie viel sie ihnen rausgeben musste, und für jede richtige Antwort schenkte sie ihnen ein Schokobonbon. Speed fing an, die Gegenstände auf ihren Regalen so aufzustellen, dass alle Etiketten nach vorn zeigten. Dabei rief sie mir über die Schulter zu: »Wie haben Sie hergefunden?«
    Ich erzählte ihr von den vier Landkarten, und sie warf eine Schachtel mit Speckwürfeln ins Regal. »Dann ist es jetzt also das Vier-Karten-Syndrom«, sagte sie. »Die versuchen alles, uns vom Erdboden verschwinden zu lassen, aber das lässt Gott nicht zu. Lobet den Herrn, Er bringt uns die Menschen, mit denen wir wirklich reden müssen.«
    Sie wischte sich die Hände an ihrer weißen Bluse ab. »Jetzt hat Er Sie hergebracht. Also, was kann ich für Sie tun?«
    »Ich möchte gern mehr über Henrietta Lacks erfahren«, sagte ich.
    Courtney holte tief Luft. Ihr Gesicht war plötzlich aschfahl. Sie trat mehrere Schritte zurück und zischte: »Sie kennen Mr. Cofield? Hat er Sie geschickt?«

    Ich war verwirrt. Ich erklärte ihr, ich hätte nie von Cofield gehört und geschickt habe mich auch niemand.
    »Woher wissen Sie dann von mir?«, schnauzte sie, wobei sie noch weiter zurückwich.
    Ich zog den alten, zerknitterten Zeitungsartikel aus meiner Brieftasche und gab ihn ihr.
    »Haben Sie mit der Familie gesprochen?«, fragte sie.
    »Ich bemühe mich darum«, antwortete ich. »Ich habe einmal mit Deborah gesprochen, und heute wollte ich mich

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