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Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Skloot
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der Schule und in der Kirche und alles, dann sind
Weiße und Schwarze am Ende zusammen und heiraten und so was … Ich sehe darin einfach keinen Sinn.«
    Als ich mich erkundigte, wie sie und Carlton mit den schwarzen Mitgliedern der Familie Lacks verwandt waren, sahen sie sich über den Couchtisch hinweg an, als hätte ich sie gefragt, ob sie auf dem Mars geboren wären.
    »Der Onkel meines Vaters hat eine Menge farbige Lacks als Sklaven gehalten«, sagte Ruby. »Daher müssen sie den Namen haben. Natürlich haben sie ihn angenommen, als sie die Plantage verlassen haben. Das ist das Einzige, was ich sagen kann.« Später fragte ich Henriettas Schwester Gladys, was sie von dieser Theorie hielt. Sie hatte während ihrer 90 Lebensjahre fast immer nur rund eineinhalb Kilometer von Carlton und Ruby entfernt gewohnt, erklärte aber, nie etwas von den beiden gehört zu haben.
    »Die schwarzen und weißen Lacks sind verwandt«, sagte Gladys, »aber wir vermischen uns nicht.«
    Sie zeigte unter die Couch, auf der ich saß.
    »Hol doch mal Lillians Brief raus«, sagte sie zu ihrem Sohn Gary.
    So weit Gladys wusste, waren alle anderen Geschwister von Henrietta tot, außer vielleicht Lillian, der Jüngsten. Das Letzte, was man von ihr gehört hatte, war ein Brief, den sie irgendwann in den Achtzigerjahren geschrieben hatte. Gladys bewahrte ihn in einem Schuhkarton unter der Couch auf. Unter anderem hatte Lillian geschrieben: »Ich habe gehört, Daddy ist bei einem Brand ums Leben gekommen.« Anschließend erkundigte sie sich, ob es stimmte. Es war tatsächlich so gewesen: Er war 1969 gestorben, 20 Jahre bevor sie diesen Brief geschickt hatte. In Wirklichkeit wollte Lillian wissen, wer mit anderen über ihr Leben gesprochen hatte. Sie erklärte, sie habe im Lotto gewonnen, und jetzt glaube sie, irgendjemand wolle sie umbringen. Weiße waren gekommen und hatten Fragen
nach ihrem Leben in Clover und ihrer Familie gestellt, insbesondere nach Henrietta. »Die haben Sachen gewusst, die selbst ich nicht wusste«, schrieb sie. »Ich finde, niemand sollte über andere reden.« Seither hatte nie wieder jemand in der Familie etwas von ihr gehört.
    »Lillian ist Puertoricanerin geworden«, sagte Gladys und drückte sich den Brief an die Brust.
    Ich blickte zu Gary hinüber, der neben ihr saß.
    »Lillians Haut war ziemlich hell, sogar noch heller als die von Mama«, erklärte Gary. »Sie hat irgendwo in New York einen Puertoricaner geheiratet. Man hat es ihr abgenommen, und da hat sie ihr Schwarzsein verleugnet – ist Puertoricanerin geworden, weil sie keine Schwarze mehr sein wollte.«

17
    Illegal, unmoralisch und erbärmlich
    W ährend sich die HeLa-Zellen in den Labors auf der ganzen Welt wie Unkraut vermehrten, kam dem Virusforscher Chester Southam ein beängstigender Gedanke: Konnten sich die Wissenschaftler, die mit Henriettas Krebszellen arbeiteten, nicht vielleicht damit anstecken? Gey und mehrere andere hatten bereits nachgewiesen, dass manche Ratten einen Tumor bekamen, wenn man ihnen lebende HeLa-Zellen spritzte. Warum also nicht auch Menschen?
    Wissenschaftler atmeten die Luft im Umfeld der HeLa-Zellen ein, übertrugen sie von einem Gefäß ins andere und nahmen sogar neben ihnen am Labortisch ihr Mittagessen ein. Einer hatte mit ihrer Hilfe einen Impfstoff gegen das normale Erkältungsvirus hergestellt, und das hatte er mehr als 400 Menschen injiziert. Ob ein Mensch durch HeLa- oder andere Krebszellen tatsächlich Krebs bekommen konnte, wusste niemand.
    »Möglicherweise besteht die Gefahr«, schrieb Southam, »dass es nach einer zufälligen Ansteckung im Rahmen der Laborforschung zu einer neoplastischen Erkrankung kommt, oder auch durch die Injektion solcher Zellen beziehungsweise Zellprodukte, falls diese zur Herstellung eines Virusimpfstoffs verwendet werden.«
    Southam war ein angesehener Krebsforscher und leitete die virologische Abteilung des Sloan-Kettering Institute for Cancer Research. Wie viele andere Wissenschaftler, so war auch er überzeugt, dass Krebs entweder von Viren oder durch Defekte des Immunsystems verursacht wird. Deshalb entschloss er sich, diese Theorien mithilfe der HeLa-Zellen zu überprüfen.

    Im Februar 1954 füllte Southam eine Spritze mit einem Gemisch aus Salzlösung und HeLa-Zellen. Die Kanüle stach er einer Frau in den Arm, die kurz zuvor mit Leukämie in die Klinik gekommen war. Er drückte auf den Kolben und injizierte ihr rund fünf Millionen Zellen von Henrietta. Mit einer zweiten

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