Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks
Lacks-Plantage in zwei Anwesen »von gleichem Wert« auf. Der untere Teil am Fluss wurde Benjamin Lacks zugesprochen; der obere, der heute Lacks Town genannt wird, fiel an die schwarzen Familienangehörigen.
16 Jahre nach dem Prozess, als Benjamin Lacks kurz vor seinem Tod seinen letzten Willen diktierte, vermachte er seinen beiden Schwestern jeweils ein kleines Stück Land; die verbliebenen 124 Acres und seine Pferde teilte er unter sieben »farbigen« Erben auf, unter ihnen sein Neffe Tommy Lacks. Es gibt keine Aufzeichnungen darüber, dass Benjamin oder Albert jemals geheiratet oder weiße Kinder gehabt hätten, und wie bei Albert sagen die Unterlagen auch nichts darüber aus, dass die schwarzen Kinder, die Benjamin in seinem Testament bedachte, seine eigenen waren. Er nannte sie aber seine »Niggerkinder«, und wenn man der mündlichen Überlieferung in der
Familie Lacks glaubt, stammten alle, die auf den Ländereien der ehemaligen Lacks-Plantage in Clover lebten, von diesen beiden weißen Brüdern und ihren schwarzen Geliebten, die früher Sklavinnen waren, ab.
Als ich nach Clover kam, war das Rassendenken noch allgegenwärtig. Roseland war »die nette farbige Frau«, die Rosie’s Restaurant betrieben hatte, bevor es schloss; Bobcat war »der weiße Mann«, der den Minimarkt betrieb; Henrietta ging in »die Farbigen kirche« St. Matthews. Einer der ersten Sätze, die Cootie bei meinem Besuch zu mir sagte, lautete: »Sie benehmen sich nicht seltsam, weil ich schwarz bin. Bestimmt sind Sie nicht von hier.«
Alle meine Gesprächspartner behaupteten steif und fest, zwischen den Rassen habe in Clover nie ein schlechtes Verhältnis geherrscht. Sie sagten aber auch, Lacks Town sei nur 20 Kilometer vom örtlichen Lynchbaum entfernt, und bis in die 1980er Jahre hinein habe der Ku-Klux-Klan auf dem Baseballplatz einer Schule rund 15 Kilometer von der Main Sreet von Clover entfernt seine Zusammenkünfte abgehalten.
Als wir auf dem Friedhof standen, sagte Cliff zu mir: »Die weißen Lacks wissen, dass ihre Verwandten alle hier zusammen mit unseren begraben sind, denn sie sind eine Familie. Das wissen sie, aber sie geben es nie zu. Sie sagen nur: ›Diese schwarzen Lacks, das sind keine Verwandten!‹«
Als ich zu Carlton und Ruby Lacks kam, den ältesten weißen Familienmitgliedern in Clover, führten sie mich lächelnd und schwatzend von der Haustür in ein Wohnzimmer voller pastellblauer, übermäßig dick gepolsterter Stühle. Überall waren Fahnen der Konföderierten – eine kleine in jedem Aschenbecher, einige auf dem Couchtisch und eine große in einem Ständer in der Ecke. Wie Henrietta und Day, so waren auch Carlton und Ruby Cousin und Cousine ersten Grades gewesen,
bevor sie Mann und Frau wurden. Beide waren mit Robin Lacks verwandt, dem Vater von Albert, Ben und Winston; damit waren sie auch entfernte Verwandte von Henrietta und Day.
Carlton und Ruby waren schon seit Jahrzehnten verheiratet und hatten mehr Kinder, Enkel und Urenkel, als sie zählen konnten. Nur eines wussten sie sicher: Insgesamt waren es mehr als hundert. Carlton war ein gebrechlicher Mann von knapp 90 Jahren, und seine Haut war so blass, dass sie fast durchsichtig wirkte. Haarbüschel sprossen wie übermäßig gewucherte Baumwolle auf seinem Kopf, an den Augenbrauen, aus Ohren und Nase. Er setzte sich in seinen Lehnstuhl und erzählte murmelnd etwas von seiner früheren Arbeit an der Kasse eines Tabaklagerhauses.
»Ich hab die Schecks ausgeschrieben«, sagte er, als spräche er mit sich selbst. »Ich war der Tabakkönig.«
Auch Ruby war Ende 80, aber ihr scharfer Verstand schien Jahrzehnte jünger zu sein als ihr hinfälliger Körper. Sie fiel Carlton geradezu ins Wort und erzählte mir von ihrem Großvater, der die Lacks-Plantage bestellt hatte, sowie von ihrem Verhältnis zu Ben und Albert Lacks. Als ich erwähnte, dass Henrietta aus Lacks Town stammte, strich Ruby sich über die Haare.
»Na ja, die war farbig!«, schnauzte sie. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Sie reden doch nicht über Farbige?«
Ich erwiderte, ich wollte alles über die weißen und schwarzen Mitglieder der Familie Lacks erfahren.
»Hm, wir haben uns nie gekannt«, sagte sie. »Die Weißen und die Schwarzen haben sich damals nicht vermischt, und ich mag es auch nicht, dass sie es heute machen. Ich kann wirklich nicht sagen, dass mir das gefällt, denn gut tut das bestimmt nicht.« Sie hielt inne und schüttelte den Kopf. »Wenn sie sich so vermischen, in
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