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Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Skloot
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belästigte. Sobald er rausgelassen wurde, legte er sich mit einem anderen Soldaten an oder wurde einem Offizier gegenüber aggressiv, so dass man ihn erneut einsperrte. Neun Monate verbrachte er beim Militär, die meiste Zeit davon in der Zelle, und derweil wurde er immer jähzorniger. Nach mehreren psychiatrischen Untersuchungen und Therapien wurde Joe entlassen. Die Begründung: Er sei unfähig, sich emotional auf das militärische Leben einzustellen.
    Seine Familie hatte gehofft, der Wehrdienst würde ihm helfen, seinen Jähzorn in den Griff zu bekommen, und er würde dort ein wenig Disziplin und Respekt vor Autoritäten lernen. Stattdessen kam er zurück und war aufsässiger denn je.
    Ungefähr eine Woche nachdem Joe die Armee verlassen hatte, kam Ivy, ein großer, magerer Junge aus der Nachbarschaft, mit einem Messer auf ihn zu und fragte, ob er Streit wolle. Die meisten anderen hätten sich nicht darauf eingelassen – aber Joe? Mit seinen 19 Jahren war er mindestens zehn Zentimeter kleiner als Ivy und wog nur 70 Kilo, in der Gegend aber nannte man ihn nicht umsonst Crazy Joe: Gewalt schien ihm richtig
Spaß zu machen. Ivy störte das nicht. Er trank schon seit Jahren und spritzte Heroin, und von den vielen Streitigkeiten, die er angezettelt hatte, war sein Körper mit Narben übersät. Joe kündigte er an, ihn umzubringen.
    Beim ersten Mal achtete Joe nicht weiter auf Ivy. Drei Monate später jedoch, am 12. September 1970, ging er mit seinem Freund Joe in East Baltimore spazieren. Es war Samstagabend, sie hatten getrunken und wollten gerade eine Gruppe junger Mädchen ansprechen, als drei andere Männer auf sie zukamen. Einer von ihnen war Elridge Lee Ivy.
    Als Ivy sah, wie Joe und June mit den Mädchen sprachen, schrie er, eine von ihnen sei seine Cousine und sie sollten lieber die Finger von ihr lassen.
    »Ich hab genug von deinem Quatsch«, schrie June zurück. Die beiden fingen an zu streiten, und als Ivy drohte, June eine runterzuhauen, ging Joe dazwischen und sagte in aller Ruhe zu Ivy, er solle das besser lassen.
    Daraufhin packte Ivy Joe am Hals und würgte ihn, während seine beiden Freunde versuchten, ihn wegzuziehen. Joe trat mit den Füßen und schrie: »Ich bring dich um, du Scheißarschloch!« Aber Ivy schlug ihn blutig, während June entsetzt zusah.
    Später am Abend klopfte Joe bei Deborah an der Tür. Er starrte blutverschmiert und mit vor Hass funkelnden Augen ins Leere, während sie sein Gesicht reinigte und ihn zum Ausnüchtern mit ein paar Eisbeuteln auf dem Kopf auf ihre Couch legte. Er starrte die ganze Nacht lang die Wand an, und dabei wurden seine Blicke so aggressiv und wütend, wie Deborah es noch nie bei einem Menschen gesehen hatte.
    Am nächsten Morgen ließ Joe das gute Tranchiermesser mit dem schwarzen Holzgriff aus Deborahs Küche mitgehen. Zwei Tage später, am 15. September 1970, machte er sich auf zur Arbeit bei einem örtlichen Speditionsunternehmen, in dem er als
Fahrer tätig war. Bis fünf Uhr nachmittags hatte er zusammen mit einem Kollegen bereits eine Flasche Old-Granddad-Whisky und dann noch einmal ein Pint geleert. Es war noch hell draußen, als Joe die Firma verließ und zur Kreuzung von Lanvale und Montford Avenue in East Baltimore ging. Dort stand Ivy auf der Eingangsstufe seines Hauses und unterhielt sich mit Bekannten. Joe ging über die Straße, sagte »Hi, Ivy« und stieß ihm Deborahs Messer in die Brust. Die Schneide traf genau in Ivys Herz. Er stolperte die Straße entlang zum Haus eines Nachbarn, während Joe ihm dicht auf den Fersen war. Dann brach er mit dem Gesicht nach unten in einer Lache seines Blutes zusammen und schrie: »Hilfe, ich sterbe – ruft den Krankenwagen!« Aber es war zu spät. Als wenige Minuten später ein Feuerwehrmann eintraf, war Ivy bereits tot.
    Joe entfernte sich vom Tatort, warf in einer benachbarten Gasse das Messer weg und wollte von einer Telefonzelle aus seinen Vater anrufen, aber die Polizei war schneller. Die Beamten hatten Day schon mitgeteilt, dass sein Sohn einen jungen Mann ermordet hatte. Sonny und Lawrence rieten ihrem Vater, Joe nach Clover auf die Tabakfarmen zu bringen, wo er sich vor der Polizei verstecken konnte und in Sicherheit wäre. Deborah erklärte sie für verrückt.
    »Er muss sich stellen«, sagte sie. »Die Polizei hat schon die Fahndung eingeleitet.«
    Aber die Männer hörten nicht auf sie. Day gab Joe 20 Dollar und setzte ihn in einen Trailways-Bus nach Clover.
    In Lacks Town trank Joe den ganzen

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