Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks
Gutachten sind bis heute unter Verschluss, aber was auch darin stehen mag, es veranlasste die Richterin, ihn nicht zu der möglichen Höchststrafe von 30 Jahren Haft zu verurteilen, sondern nur zu 15 Jahren. Joe wurde in die Maryland Correctional Institution in Hagerstown eingewiesen, ein Gefängnis mit mittlerem Sicherheitsstandard rund 120 Kilometer von Baltimore entfernt.
Anfangs erging es Joe im Gefängnis ähnlich wie beim Militär: Meistens saß er wegen Aufsässigkeit und Streitereien in Isolationshaft. Irgendwann aber hörte er auf zu streiten und richtete
seine Energie nach innen. Joe entdeckte den Islam für sich und verbrachte nun fast seine ganze Zeit damit, in seiner Zelle den Koran zu studieren. Wenig später änderte er seinen Namen in Zakariyya Bari Abdul Rahman.
Bei den anderen Lacks-Brüdern sahen die Dinge recht gut aus. Sonny war gerade ehrenvoll aus der Airforce entlassen worden, und Lawrence hatte eine gute Stellung bei der Eisenbahn. Weniger gut lief es für Deborah. Ungefähr zu der Zeit, als Zakariyya ins Gefängnis kam, hatte sie in einem blauen Chiffonkleid Cheetah geheiratet – im Wohnzimmer von Bobbette und Lawrence. Sie war jetzt 18. Als Deborah und Cheetah sich das erste Mal begegnet waren, hatte er auf dem Bürgersteig vor ihrem Haus eine Bowlingkugel nach ihr geworfen. Sie dachte, er wollte nur spielen, aber nachdem sie verheiratet waren, ging es erst richtig los. Kurz nach der Geburt ihres zweiten Kindes – LaTonya – fing Cheetah an, Drogen zu nehmen, und wenn er high war, schlug er Deborah. Dann trieb er sich auf der Straße herum, verschwand am Ende nächtelang mit anderen Frauen und kam nur zurück, um im Haus Drogen zu verkaufen, während Deborahs Kinder danebensaßen und zuschauten.
Eines Tages – Deborah stand gerade am Spülbecken und wusch das Geschirr ab – kam Cheetah in die Küche gelaufen und warf ihr lautstark vor, sie würde mit anderen Männern schlafen. Dann gab er ihr eine Ohrfeige.
»Mach das nicht noch einmal«, sagte Deborah. Sie stand wie versteinert, die Hände immer noch im Spülwasser.
Cheetah griff nach einem Teller aus dem Trockengestell und schlug ihn ihr ins Gesicht.
»Du fasst mich nicht mehr an!«, schrie Deborah. Ihre Hand schoss aus dem Spülwasser und griff nach einem Steakmesser.
Cheetah hob den Arm, um sie erneut zu schlagen, aber Drogen und Alkohol hatten ihn schwerfällig gemacht. Deborah wehrte ihn mit der freien Hand ab und drückte ihn gegen die Wand. Sie
stach ihm die Messerspitze gerade so tief in die Brust, dass sie die Haut durchstieß, dann zog sie das Messer abwärts bis zum Nabel. Cheetah kreischte, sie sei wohl verrückt geworden.
Danach ließ er sie ein paar Tage in Ruhe. Schließlich aber kam er wieder völlig zugedröhnt nach Hause und schlug sie erneut. Als er eines Abends im Wohnzimmer mit dem Fuß nach ihr trat, schrie Deborah: »Warum musst du dich eigentlich ständig mit mir zanken?« Als er nicht antwortete, war sein Tod für Deborah beschlossene Sache. Er drehte sich um, stolperte immer noch schreiend in Richtung des Treppenhauses, und Deborah stieß ihn, so kräftig sie konnte. Er rollte die Treppe hinunter und blieb blutend unten liegen. Deborah starrte ihn vom oberen Ende der Treppe an und empfand nichts – keine Angst, überhaupt keine Gefühlsregung. Als er sich bewegte, ging sie die Stufen hinunter und zerrte ihn quer durchs halbe Erdgeschoss nach draußen auf den Bürgersteig. Es war mitten im Winter, und es schneite. Deborah ließ ihn ohne Mantel vor dem Haus liegen, warf die Tür zu, ging nach oben und legte sich schlafen.
Als sie am nächsten Morgen aufwachte, hoffte sie, dass er erfroren war. Stattdessen aber saß er unterkühlt und voller Blutergüsse auf der Türschwelle.
»Ich fühle mich, als hätten ein paar Typen auf mir herumgetrampelt und mich geschlagen«, jammerte er.
Sie ließ ihn ins Haus, wusch ihn und gab ihm etwas zu essen. Dabei dachte sie die ganze Zeit, was für eine entsetzliche Idiotin sie doch eigentlich war. Als Cheetah schließlich in den Schlaf gefunden hatte, rief Deborah bei Bobbette an und sagte:
»Das ist nämlich so: Er wird heute Nacht sterben.«
»Wovon redest du überhaupt?«, fragte Bobbette.
»Ich nehm den Schraubenschlüssel«, antwortete Deborah, »und lass sein Hirn bis an die Wand spritzen. Ich hab die Nase ein für alle Mal voll.«
»Tu das nicht, Dale«, erwiderte Bobbette. »Sieh dir an, wo Zakariyya gelandet ist – im Gefängnis. Du bringst diesen
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