Die Untoten von Veridon: Roman (German Edition)
der Ratsmitglieder die Wände des runden Raums entlang drängten. So hatte der jeweils Vortragende genug Platz, um in der Mitte umherzulaufen und über seine Ratskollegen herzuziehen. Eigentlich sollte sich dort immer nur ein Sprecher zurzeit aufhalten. In diesem Moment aber befanden sich gleich drei Personen unten auf dem Rednerparkett. Zwei Männer und eine Frau. Sofern man Angela Tomb als Frau bezeichnen konnte. Zwei Männer und ein Albtraum.
Ich hatte keine Ahnung, worüber sie diskutierten. Worum es auch ging, es war offenbar wichtig genug, dass ihnen unser Eintreten entging und sie die zwei bewaffneten Halunken nicht bemerkten, die in der Vergangenheit mehr als eine Person in diesem Raum bedroht hatten. Die Wachmänner blieben am Rand des Rings stehen, der den Beginn der Kammer kennzeichnete, und brabbelten etwas, als wollten sie unseren Auftritt ankündigen. Ich klopfte ihnen auf die Schulter, ging an ihnen vorbei, hielt mich an der Seite des Raums und steuerte auf den traditionellen Sitz meiner Familie zu. In jedes der Podien war vorne das Wappen der Familie geschnitzt, die es besetzte. Der leere Sitz, auf den ich zuhielt, wies eine lange, schmale Pyramide mit gekappter Spitze und sich kräuselndem Feuer am Sockel auf. Das Symbol des Tiefbrutofens und das traditionelle Logo der Familie Burn. Der Anblick brachte mich zum Lächeln.
So hitzig die drei auf dem Rednerparkett auch diskutierten und so sehr sich die ringsum sitzenden Ratsmitglieder auch miteinander unterhielten, irgendwann bemerkte man mich doch. Zuerst verstummte einer, dann ein weiterer. Jemand schrie auf, entweder erschrocken oder angewidert. Schließlich schwiegen alle Stimmen. Die Anwesenden beobachteten, wie ich die schmale Treppe zu meinem Sitz erklomm, die Flinte auf das Podium legte und mich auf der Polsterung niederließ, auf der mein Vater so lange gesessen hatte. Ich konnte ihn in dem Stuhl riechen, gut geöltes Leder und Alkohol, Rauch, der noch Stunden, nachdem der Rest der Familie schlafen gegangen war, in der Bar hing. Das Brennen von Schießpulver auf meiner Wange, als er jenen Schuss abfeuerte, durch den ich am Leben blieb, bevor er mir auf die Beine half. Ich schüttelte mich aus meinem Tagtraum und sah mich im Raum um. Alle starrten mich mit einer Mischung aus Überraschung, Schrecken und amüsierter Berechnung an.
»Macht ruhig weiter«, sagte ich.
»Was hat das zu bedeuten?«, verlangte ein fetter Mistkerl zu erfahren, den ich nicht kannte. Plammer vielleicht? Ich konnte all die Namen noch nie auseinanderhalten, vor allem nicht diejenigen der neuen Familien.
»Ich habe gehört, dass eine Versammlung stattfindet. Da dachte ich mir, ich sollte dabei sein.«
»Das … das … das ist grotesk!«, schrie Plammer mit wabbelnden Wangen.
»Ich wäre außerordentlich enttäuscht gewesen, hätten Sie etwas weniger … Typisches von sich gegeben, Mr. Plammer«, gab ich zurück.
»Plumer!«, kreischte er. »Der Junge kennt nicht einmal die Namen der erhabenen Ratsmitglieder und sitzt auf Alexanders Stuhl!« Er stolperte von seinem Podium hinab, um sich zu den Dreien zu gesellen, die ihre Diskussion angesichts der Unterbrechung eingestellt hatten. »Ich frage euch, meine Brüder, wollen wir das dulden? Ich stehe hier und sage: Nein!«
»Können Sie das denn?«, fragte ich. »Längere Zeit stehen, meine ich. Sie scheinen mir nicht in der dafür notwendigen Verfassung zu sein.«
»Jacob, wir wissen alle darüber Bescheid, dass du durch und durch ein Klugscheißer bist«, ergriff Angela das Wort und drehte sich mir mit den Händen an den Metallhüften zu. »Aber mal ehrlich, hier reden Erwachsene.«
»Ach ja, richtig. Ich vermute, hier ist so etwas wie eine förmliche Erklärung nötig.« Ich stand auf und ergriff die Flinte. »Ich verstehe. Also mal sehen. Wie soll das ablaufen?«
»Ich will ja nicht behaupten, ich hätte es dir gesagt«, flüsterte mir Wilson von seinem Platz hinter dem Sitz aus zu, wo normalerweise die Diener und Berater eines Ratsmitglieds standen. »Aber dies wäre ein idealer Zeitpunkt, um das Wiedereinsetzungsdokument dabeizuhaben.«
Ich ignorierte ihn und räusperte mich.
»Ich bin Jacob Burn, Sohn des Alexander, Nachkomme des Tiberus, in letzter Instanz Nachkomme des Constance Burn, Gründer von Veridon. Ich bin hier, um mein Namensrecht und den Sitz des Rats in dieser Kammer zu beanspruchen. Wie es mein Vater vor mir getan hat, erhebe ich durch mein Blut und durch meine Geburt Anspruch auf dieses Recht.
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