Die Untoten von Veridon: Roman (German Edition)
bedachte mich mit verständnislosen Blicken.
»Das muss ein Künstlername oder etwas dergleichen sein«, meinte Nathan. »Die Aufzeichnungen meiner Familie über die Geschlechter Veridons sind ziemlich umfassend, wie Sie alle wissen. Aber dieser Name sagt mir gar nichts.«
»In Ihren Büchern wird er sich nicht finden. Ebenso wenig wird er in den Annalen der Stadt oder auf den Gedenktafeln aufscheinen. Er wurde entfernt. Vollständig.«
»Aber wie ist das …«, setzte Nathan an, dann verstand er. »Ein Ritual der Säuberung.«
»Richtig. Die Makers scheinen mit der Schöpfergilde verbündet gewesen zu sein. Ich bin nicht sicher, welche Rolle sie bei den Prozessen gespielt haben, ob sie selbst angeklagt wurden oder nur bei der Verteidigung der Gilde mitgewirkt haben. So oder so, offenbar hatte das ziemlich schwerwiegende Konsequenzen.«
»Ein Ritual der Säuberung ist sehr gründlich, Jacob«, warf Angela ein. »Wenn man es bei diesen Makers angewandt hätte, dann wäre niemand mehr übrig.«
»Oder etwaige Überlebende hätten in solcher Abgeschiedenheit leben müssen, dass die nachfolgenden Jahrhunderte sie in den Wahnsinn getrieben hätten«, ergänzte ich. Alle lehnten sich auf ihren Stühlen zurück und dachten darüber nach, was sie in den vergangenen Monaten erlebt hatten. Allmählich begannen sie, es zu durchschauen.
»Aber was ist sein Ziel?«, fragte Angela. »Es muss doch mehr sein als das.«
»Er hat die Stadt stillgelegt und anscheinend zwei der herausragendsten Mitglieder dieses Rats ermordet«, sagte Nathan nervös. »Ich halte das kaum für unbedeutend.«
»Er hat uns klargemacht, dass er vorhat, Veridon mitten ins Herz zu treffen. Ich glaube nicht, dass er die Stadt dem Erdboden gleichmachen oder einen gewaltigen Anteil der Bevölkerung vernichten will. Aber er will die Stadt für immer verändern.« Ich breitete die Hände aus. »Ob das bedeutet, dass lediglich die Machtverhältnisse aus dem Gleichgewicht gebracht werden sollen, oder, dass der Rat, der seine Familie ausgelöscht hat, für die Zukunft der Stadt irrelevant werden soll – das weiß ich nicht.«
»Uns irrelevant machen?, krächzte Plumer und erinnerte dabei stark an die Krähen draußen. »Wie könnte er das bewerkstelligen?«
»Er könnte damit anfangen, uns alle umzubringen«, sagte Angela. Das ließ etwas Ruhe im Raum einkehren. »Was denkst du, Jacob?«
»Ich denke, dass in dieser Kammer weit mehr vor sich geht, als die meisten hier zugeben. Die Tombs und die Burns haben Verluste erlitten.« Ich ließ den Blick umherwandern und kurz bei Veronica Bright verharren. »Sind noch andere Familien betroffen?«
Unruhiges Rascheln mit Papier setzte ein, und stolze Ratsmitglieder mieden jeden Blickkontakt. Schließlich seufzte Plumer und stand auf.
»Wir haben drei Söhne verloren. Die nächsten drei in der Erbfolge.« Ich erinnerte mich, dass der fettleibige Mann selbst keine Söhne hatte. Es war sein Bruder, der trauerte. »Aber nicht heute. Es geschah vor zwei Wochen. Wir glaubten nicht, dass es etwas mit den Angriffen zu tun hatte. Vielmehr schien es sich um das Werk eines menschlichen Verbrechers zu handeln.« Er sah mich an. »Sie wurden bei einer Fahrt auf dem Reine erschossen.«
»Scheint mir kaum Cranichs Stil zu sein. Aber das hat womöglich nichts zu bedeuten. Wilson und ich haben in der Nähe von Cranichs Haus eine seltsame Frau gesehen. Sie trug eine Eisenmaske, vielleicht eine Anspielung auf die Säuberungsmaske. Unter Umständen ist sie irgendwie in diese Angriffe verwickelt.«
»Sie wissen sehr gut, dass wir große Verluste erlitten haben, Mr. Burn«, meldete sich Veronica zu Wort. »Wir haben fast alle verloren. Einige kleinere Kinder, die in einem anderen Zimmer gespielt haben, sind noch übrig. Aber praktisch bin ich die letzte Bright, die diesen Sitz halten kann.«
»Ich wollte Ihnen die Entscheidung überlassen, ob Sie es preisgeben wollen, Lady Bright«, sagte ich und nickte ihr zu. »Sonst noch jemand?«
Sie hatten alle Geschichten. In den letzen drei Monaten hatte es Anschläge, verdächtige Unfälle und unverhohlene Morde gegeben. Alle schienen darauf abzuzielen, die Machtposition der jeweiligen Familie im Rat zu schwächen. Plötzlich erschien mir der Wahnsinn meines Vaters gar nicht mehr so schlimm. Die Familien hatten diese Informationen bislang deshalb nicht öffentlich preisgegeben, weil sie politische Motive hinter den Anschlägen vermutet hatten. Und es hatte Gegenschläge gegeben, wenngleich
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