Die Untoten von Veridon: Roman (German Edition)
Jahren zusätzlich eingebläut worden. Emily, er und ich hatten damals fast zwei Wochen damit zugebracht, in Kellern und Zisternen zu leben, während die Ordnungshüter auf der Suche nach uns die Stadt auf den Kopf stellten. Mittlerweile unterhielt er überall kleine Verstecke, manchmal nur ein Seil am Ende einer Sackgasse, manchmal verborgene Waffen oder die Art von Unterschlupf, die wir damals hätten brauchen können, eingepfercht zwischen Gebäuden oder unter wenig benutzten Fußgängerbrücken.
Sobald ich den Gestank vom Mietshaus der Brights aus der Nase bekommen hatte, tauchte ich in der Menge unter und steuerte das nächstgelegene dieser Verstecke an. In dieser Gegend gab es wahre Menschenmassen, aber jeder kümmerte sich um seine eigenen Angelegenheiten. Es dauerte nicht lange, bis er mich fand.
»Bin dir gefolgt«, sagte er, als er sich vom Dach eines Schuppens schwang und neben mir im Gedränge landete. Die Menschen bemerkten gar nicht, dass sich plötzlich ein weiterer Körper unter ihnen befand. »Und damit bin ich nicht allein.«
»Soll das heißen, dass ich beschattet werde?«
»Das soll heißen, wir werden diesen Kerl nicht zu meinem Versteck führen, was eindeutig dein Ziel war.« Er legte mir einen Arm um die Schultern, als wären wir alte Saufkumpane, und lächelte mich mit seinen unzähligen Zähnen an. »Bieg hier ab.«
Ich tat, wie mir geheißen. Es handelte sich um eine kurze Sackgasse, das ferne Ende verstellt von Fässern. Wir hielten an und drehten uns zur Mündung der Gasse um. Wilson stand mit vor der Brust verschränkten Armen da und wartete.
Der Bursche kam mit schnellen Schritten um die Ecke. Vermutlich fürchtete er, uns zu verlieren. Er trug einen Halbmantel und eine tief ins Gesicht gezogene Kappe. Die Schultern hatte er hochgezogen. Er erblickte unsere Füße und erstarrte abrupt. Als er aufschaute, hätte ich beinah aufgelacht.
»Heutzutage holen sie sich wirklich entsetzlich junge Burschen«, meinte ich. Der Junge hatte ein Milchgesicht, dessen Mund offenstand. Seine vor Babyspeck vollen Wangen zitterten. Er sah aus, als wäre er drauf und dran, sich in die Hose zu machen. »Hast du dich verirrt, Jungchen?«
»Nein, nein, Sir. Aber … ich schätze … ich denke, ich bin falsch abgebogen«, stammelte er und wich zur Straße zurück. Wilson verzog das Gesicht zu einer Grimasse und starrte ihn an. Man sah dem Jungen an, dass er Mühe hatte, nicht aufzuschreien. »Eindeutig falsch.«
Mit der Geschwindigkeit von jemandem, der völlig verängstigt ist, zischte er zurück um die Ecke und verschwand. Wilson und ich wechselten einen belustigten Blick und begaben uns wieder auf die Straße.
»Wir hätten ihn schnappen sollen. Um herauszufinden, was er weiß«, meinte ich.
»Vielleicht. Aber wie du richtig gesagt hast, er war bloß ein Junge. Den hat jemand in einer dunklen Gasse oder in einem Süßwarenladen angeheuert.« Wilson rückte seine Weste zurecht und schaute die Straße hinauf und hinunter. »Wie auch immer. Jetzt ist er weg.«
»Ja. Und du bist also problemlos entkommen?«, fragte ich.
»Nein. Sie haben mich gefasst, mich markiert, mir das Gehirn rausgenommen und anschließend meine wiederbelebte Leiche losgeschickt, um dich aufzuspüren«, antwortete er ohne einen Hauch von Humor in der Stimme. »Jetzt halte ich dich hier fest, bis meine Meister, die Ordnungshüter aufkreuzen.«
»Ernsthaft«, mahnte ich.
»Sie haben mich überhaupt nicht gejagt. Und das Mädchen habe ich auch nicht mehr gesehen.« Er blickte mich an und zuckte mit den Schultern. »Nach einer Weile bin ich umgekehrt, um herauszufinden, was sie mit dir vorhaben. Ich bin dir vom Gefängnis aus gefolgt und habe vor dem Haus darauf gewartet, dass du herauskommst. Habt ihr eine feine Nummer geschoben, Angela und du?«
»Darüber darfst du nicht mal Witze machen. Du hättest dich ruhig früher zu erkennen geben können. Diesen Ort hättest du zweifellos interessant gefunden.«
»Nein, danke«, gab er zurück. »Etwas an Angela behagt mir nicht. Vielleicht liegt es daran, dass sie damals versucht hat, uns umzubringen. Vielleicht auch daran, dass sie ein halbtotes Miststück ist, das in einem Kleid aus Stahl und Abscheulichkeiten lebt. Schwer zu sagen. Aber irgendetwas an ihr stört mich.«
»Du bist so ein Snob«, sagte ich lachend. »Kein Wunder, dass du keine Freunde hast.«
»Ich habe keine Freunde, weil ihr Menschen sie alle getötet oder in Käfige gesperrt habt.« Er sah mich an und
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