Die Untoten von Veridon: Roman (German Edition)
die das nicht im Geringsten zu jucken scheint?«
»Jacob, das haben wir bereits abgehakt. Ich bin verdammt noch mal außer mir«, erwiderte sie steif und ballte die Hände im Schoß zu Fäusten. »Oder vielleicht habe ich auch nur mein Leben damit zugebracht zu lernen, wie man im Angesicht einer Tragödie weitermacht und tut, was immer notwendig ist, um die Familie zu schützen. Wie man sich nach außen hin stark präsentiert, komme, was wolle. Was eine eigene Art von Wahnsinn darstellt, finden Sie nicht?«
Ich starrte sie eindringlich an. Ich konnte ehrlich nicht sagen, ob sie sich endlich ein wenig öffnete oder bloß noch verrückter wurde. Eine seltsame Frau. Eine seltsame Familie – was noch davon übrig war.
»Was sagt eigentlich die Kirche zu all dem? Wenn jemand in einer Sache ein Muster erkennen kann, dann doch diese alten Apophäniker.«
»Ich glaube, dieses Wort haben Sie gerade erfunden«, sagte sie. »Aber es gefällt mir. Die Kirche des Algorithmus hüllt sich in dieser Angelegenheit in Schweigen. Soweit wir wissen, wurde sie von keinem der Angriffe tangiert.«
»Aber es wäre möglich.«
»Natürlich. Die lügen ebenso wie wir. Immerhin verstecken sie einen Engel in ihrem Keller, nicht wahr, Jacob?« Sie lächelte mich an. Niemand glaubte meine Geschichten von vor zwei Jahren, vor allem nicht die Industriellen. Sie konnten es sich leisten, mir nicht zu glauben. »Aber wir haben Spitzel. Ich denke, wir würden es wissen.«
»Kennen Sie den Kerl, der im Herrenhaus der Tombs wohnt? Oben in dem alten Turm auf der Westseite?«
Sie betrachtete mich mit zusammengekniffenen Augen und versuchte offenbar, eine Entscheidung zu fällen. Welche Geheimnisse sie preisgeben und welche sie bewahren sollte.
»Das hat etwas mit dem Gleichgewicht der Kräfte im Rat zu tun, Jacob. Sind Sie sicher, dass Sie darüber etwas wissen wollen?«
»Ich habe doch gefragt, oder? Wenn es Ihnen lieber ist, kann ich Sie auch niederschlagen und treten, bis Sie mir sagen, was ich wissen will.«
»Entspricht nicht wirklich meinem Geschmack«, gab sie zurück und lächelte boshaft. In dem Moment fasste ich den Entschluss, dass ich nie herausfinden wollte, was dem Geschmack dieser jungen Frau entsprach. »Also gut. Es kursiert das Gerücht, dass der Patriarch der Tombs endlich im Begriff ist zu sterben. Und nicht nur kurz davor, sondern wirklich fast tot. Wissen Sie, dass er schon im Rat war, bevor die Kirche an die Macht kam? Sogar schon, bevor die Schöpfergilde aufgelöst und ihre Oberhäupter aufgeknüpft wurden.«
»Wie könnte ich das nicht wissen, Lady Bright? Vergessen Sie nicht, ich bin der Sohn eines Gründers.«
»Das vergisst man angesichts ihrer ungehobelten Art manchmal wirklich, Mr. Burn.« Sie blickte auf ihre Finger hinab und zupfte sich etwas von den Nägeln. »Aber ja. Der Patriarch ist im Begriff zu sterben. Und dadurch wird die Verfassung Ihres Vaters so interessant. Denn wenn der Patriarch stirbt, wird der Sitz der Burns der höchstrangige Gründersitz.«
»Was hat das mit dem Kerl im Turm zu tun?«, wollte ich wissen.
»Das ist jemand, den die Familie geholt hat, um das Leben des alten Mannes weiter zu verlängern«, antwortete Veronica. »Jemand von außerhalb der Stadt. Ein Experte. Wofür, das scheint niemand sagen zu wollen.«
Ich spürte, wie mein Mut sank. Allmählich regte sich in mir ein Verdacht, was für ein Experte er war.
»Wie auch immer«, fuhr sie fort. »Es gibt zwei Möglichkeiten, wie sich das entwickeln kann. Erstens: Der Patriarch stirbt. Laut Vertrag geht das Namensrecht der Tombs mit dem Tod des Patriarchen an die Familie Verde über, die es ihm vor all den Generationen abgekauft hat. Und damit sind die Tombs aus dem Rat.«
»Scheint so, als würde Angela alles tun, was sie kann, um das zu verhindern.«
»Ja. Es sei denn …« Sie hielt einen zweiten Finger hoch.
»Es sei denn?«, hakte ich nach.
»Es sei denn, die Familie Burn wird für unfähig erklärt, ihre Pflichten zu erfüllen. Beispielsweise, wenn nachgewiesen wird, dass ihr Sitz von einem Wahnsinnigen ohne gesetzmäßigen Erben gehalten wird. Angela hat sich in Position gebracht, um zur dauerhaften Sachwalterin dieses Sitzes erklärt zu werden. Auf die Art und Weise würden die Tombs ihren Platz im Rat behalten.«
»Und wenn der Sohn wiedereingesetzt würde?«, fragte ich mit einem leichten Zittern in der Stimme. »Was dann?«
»Der Sohn?«, fragte sie. »Sie meinen den Verbrecher, den Mörder, den Grobian, der mit
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