Die Unvergänglichen: Thriller (German Edition)
so fahren müssen, als wären wir von hier, Susie.«
»Was soll das denn heißen? Ich
bin
von hier.«
Er sagte nichts weiter und trank sein Bier. Im Grunde genommen hatte sie recht. Während er kaum mehr als ein hier gestrandeter Tourist war, hatte sie ihr halbes Leben in Laos verbracht.
Da es keinen Grund zu der Annahme gegeben hatte, dass Karl und August Mason je aufhören würden, nach ihnen zu suchen, mussten sie auf Dauer untertauchen. Und wo ging das besser als in den Bergen Südostasiens?
Natürlich hatten Carly und er überlegt, sich an die Behörden zu wenden, aber sie hatten sich rasch dagegen entschieden. Selbst wenn sie eine Regierungsstelle gefunden hätten, die Masons Leute nicht beeinflussen konnten – was wäre aus Susie geworden? Im besten Fall wäre alles herausgekommen und sie wäre zu einer Prominenten geworden, die etwas hatte, um das sie jeder beneidete. Im schlimmsten Fall hätte sie jedoch zu einem Versuchskaninchen werden können, einer widerstrebenden religiösen Figur oder einem Blitzableiter für Eifersucht und Hass, wenn nicht gar alles zusammen.
Nach allem, was sie durchgemacht hatte, verdiente sie ein normales Leben. Oder eines, das so normal war, wie er es ihr bieten konnte.
»Wann gehen wir wieder zurück, Dad?«
»Wie meinst du das? Wohin zurück?«
»Nach Amerika.«
»Ich weiß es nicht.«
»Was ist mit Europa?«
Er drehte sich auf dem Sitz zu ihr um. »Woher kommt dein plötzliches Interesse?«
»Keine Ahnung. Ich habe noch nichts davon gesehen. Du erzählst Geschichten und ich sehe mir Filme an, aber das ist was anderes.«
»Wir werden mal eine Reise planen.«
Sie erkannte eine Lüge, wenn sie eine hörte, und verzog das Gesicht. Sie wurde so schnell erwachsen. Sie würden »das Gespräch«, wie Carly und er es nannten, nicht mehr lange aufschieben können, auch wenn er noch immer nicht wusste, was er ihr sagen sollte.
Er wusste ja selbst nicht, was aus ihr werden würde. Es war gut möglich, dass Masons Serum nur ihre Progerie geheilt hatte. In diesem Fall würde sie wie jeder andere alt werden und sterben.
Andererseits konnte es auch passieren, dass sie normal alterte, bis sie etwa dreißig Jahre alt war, und dann für immer so blieb.
Ihm fehlte die Ausrüstung, um ihr verändertes Genom genauer zu untersuchen, aber anhand der wenigen Tests, die er durchgeführt hatte, war zu erkennen gewesen, dass sie kein normales Mädchen mehr war. In ihrem Körper hatte es derart viele bedeutsame genetische Veränderungen gegeben, dass sie jeder Wissenschaftler vermutlich als Unterart eingestuft hätte. Zu diesem Zeitpunkt wusste er selbst nicht einmal, ob sie jemals lebensfähige Kinder mit einem nicht veränderten Mann haben konnte.
Und aus diesem Grund schoben sie »das Gespräch« immer wieder auf. Er vermutete, dass Diskussionen, die mit den Worten »Deine Mutter und ich sind uns nicht sicher, ob du technisch gesehen noch ein Mensch bist, und es gibt einige außerordentlich mächtige Männer, die dich bis ans Ende aller Tage jagen werden« begannen, selten gut endeten.
Richard lehnte sich zurück und trank sein Bier aus, während Susie zunehmend rücksichtsloser fuhr. Sie hatte auch allen Grund dazu, wütend zu sein.
Dreißig Minuten später hielt sie vor einem alten französischen Haus aus der Kolonialzeit, das er bei ihrer Ankunft in diesem Land gekauft hatte. Das Dach hing durch, die Farbe blätterte ab und es gab keinen Strom. Aber dafür wehte der Wind das ganze Jahr über durch die offenen Fenster und die blühenden Kaffeepflanzen standen noch immer auf den Hügeln in der Umgebung.
So hatte er sich sein Leben zwar eigentlich nicht ausgemalt, aber in vielerlei Hinsicht war es sogar besser. Er lebte an einem der schönsten Orte der Welt, seine Tochter war gesund, seine Familie intakt, und er konnte jeden Tag anderen Menschen helfen. Natürlich musste er immer einen nach dem anderen behandeln, aber das bereitete ihm eine Freude, die sich im Labor nicht replizieren ließ.
Susie sprang aus dem Wagen und er lief hinter ihr her, als sie durch die offen stehende Eingangstür rannte. Carly und Burt Seeger saßen auf einer Bank in der verblichenen Pracht des Eingangsbereiches. Richard hatte den alten Soldaten überredet, zusammen mit ihnen zu fliehen, und er war rasch zu einem weiteren Familienmitglied geworden. Susie nannte ihn Grandpa, seitdem sie neun Jahre alt war, und irgendwann hatte Carly angefangen, ihn Dad zu nennen. Es kam ihnen einfach natürlich
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