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Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Titel: Die Unvollendete: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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es klang, als ob ein riesiger Kohleneimer geleert würde. Der Himmel war taghell. Ein Leuchtgeschoss explodierte, erhellte alles so elegant wie ein Feuerwerk.
    Bomber donnerten über sie hinweg, als sie über die Straße zu dem Hund rannte. Es war ein unauffälliger Terrier, der wimmerte und am ganzen Körper zitterte. Als sie ihn hochhob, hörte sie ein schreckliches Swisch und wusste, dass sie fällig war, dass sie beide fällig waren. Auf ein gigantisches Knurren folgte der lauteste Knall, den sie bislang im »Blitz« gehört hatte. Das war’s, dachte sie, so werde ich sterben.
    Sie bekam einen Schlag auf die Stirn, einen Ziegel oder etwas Ähnliches, wurde jedoch nicht bewusstlos. Eine Druckwelle wie ein Hurrikan warf sie um. Sie spürte einen unglaublichen Schmerz in den Ohren und hörte nur noch ein hohes pfeifendes Geräusch und wusste, dass ihre Trommelfelle geplatzt waren. Schutt regnete auf sie herab, schnitt sie und bohrte sich in sie. Die Druckwelle breitete sich nach und nach aus, und sie spürte ein murrendes, mahlendes Beben in der Erde unter sich.
    Aus der Entfernung schien eine Explosion nahezu sofort vorbei zu sein, doch wenn man sich mittendrin befand, zog sie sich ewig hin, hatte einen Charakter, der sich im Verlauf veränderte und entwickelte, so dass man nicht vorhersehen konnte, wie es enden würde, wie man selbst enden würde. Halb saß sie, halb lag sie auf dem Boden und versuchte, sich an etwas festzuhalten, doch sie konnte den Hund nicht loslassen (dieser Gedanke beherrschte sie aus unerfindlichem Grund) und wurde langsam den Boden entlanggetrieben.
    Der Druck ließ ein wenig nach, doch Schutt und Staub prasselten noch immer auf sie herab. Der Hurrikan hatte noch Leben in sich. Dann traf sie erneut etwas am Kopf, und alles wurde dunkel.

    Sie kam wieder zu sich, weil der Hund ihr Gesicht leckte. Es war sehr schwer zu verstehen, was passiert war, doch nach einer Weile begriff sie, dass der Eingang, in dem sie den Hund gepackt hatte, nicht mehr existierte. Die Tür war nach innen eingedrückt worden und sie mit ihr, und jetzt lagen sie unter dem Schutt in der Eingangshalle des Hauses. Das Treppenhaus, bedeckt von geborstenen Ziegeln und gesplittertem Holz, führte nirgendwo mehr hin, da die oberen Stockwerke verschwunden waren.
    Benommen setzte sie sich auf. Ihr Kopf fühlte sich dick und dumpf an, aber nichts schien gebrochen zu sein oder ernsthaft zu bluten, obwohl sie mit Schnitten und Prellungen überzogen sein musste. Auch der Hund, der sehr still war, schien unverletzt. »Dein Name muss Lucky sein«, sagte sie, aber sie war kaum zu hören, weil so viel Staub in der Luft war. Vorsichtig stand sie auf und ging hinaus auf die Straße.
    Auch ihr Haus war verschwunden, wohin sie auch blickte, überall lagen rauchende Trümmerhaufen und standen skelettartige Mauern. Der abgeschnittene Fingernagel von Mond war hell genug, das Grauen auch durch den Staubnebel hindurch zu beleuchten. Wenn sie nicht losgerannt wäre, um den Hund zu retten, wäre sie jetzt Asche im Keller der Millers. Waren alle tot? Die Nesbits, Mrs. Appleyard und Emil? Mr. Bentley? Alle Millers?
    Sie wankte auf die Straße, wo zwei Feuerwehrmänner einen Schlauch entrollten. Während sie ihn an den Hydranten anschlossen, sah sie einer der Männer und rief: »Alles in Ordnung, Miss?« Es war komisch, aber er sah aus wie Fred Smith. Und dann schrie der andere Feuerwehrmann: »Vorsicht, die Mauer stürzt ein!«
    So war es. Langsam, unglaublich langsam wie in einem Traum, neigte sich die Mauer auf einer unsichtbaren Achse, und ohne dass sich auch nur ein einziger Ziegel löste, kam sie ihnen entgegen, als wollte sie eine elegante Verbeugung machen, und stürzte in einem Stück und brachte die Dunkelheit mit sich.

August 1926
    A ls er das Zimmer verlassen hatte, wusste die Familie nicht, was sie aus dieser Erscheinung machen solle.
    Bienen summten ihr nachmittägliches Sommerschlaflied, und Ursula, die im Schatten der Apfelbäume lag, legte schläfrig Die Marquise von O weg. Durch halb geschlossene Lider beobachtete sie ein kleines Kaninchen, das ein paar Meter entfernt zufrieden am Gras knabberte. Entweder hatte es sie nicht gesehen, oder es war sehr kühn. Maurice hätte es schon erschossen. Nach dem Abschluss des Studiums war er zu Hause und wartete darauf, seine Ausbildung als Jurist fortzusetzen. Er war die ganzen Ferien über gründlich und lauthals gelangweilt. (»Er könnte sich einen Ferienjob suchen«, sagte Hugh. »Es

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