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Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Titel: Die Unvollendete: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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Frieden und das Verständnis zwischen den jungen Leuten fördern. Keine Kriege mehr. Und es hält sie von den Jungen fern.« Klara, die wie Ursula gerade ihr Studium abgeschlossen hatte – sie hatte Kunst an der Akademie studiert –, stand der Obsession ihrer Schwestern gleichgültig gegenüber, hatte sich jedoch anerboten, sie auf ihrer Bergwanderung zu begleiten, ihrem sommerlichen Ausflug, bei dem sie in den bayerischen Bergen von einer Jugendherberge zur nächsten wanderten. »Du kommst doch mit, oder?«, sagte Klara zu Ursula. »Es wird bestimmt ein Spaß werden, und du siehst etwas von der Landschaft. Und wenn du nicht mitkommst, hockst du hier in der Stadt bei Mutti und Vati.«
    »Ich glaube, sie sind so was wie die Pfadfinderinnen«, schrieb Ursula an Pamela.
    »Nicht ganz«, antwortete Pamela.

    Ursula hatte nicht vor, lange in München zu bleiben. Deutschland war nur ein kurzer Umweg in ihrem Leben, Teil ihres Jahrs der Abenteuer in Europa. »Es wird meine Grand Tour«, sagte sie zu Millie, »obwohl sie leider etwas zweitklassig ist, keine so großartige Tour.« Geplant war, dass sie nach Bologna statt nach Rom oder Florenz reisen sollte, nach München und nicht nach Berlin und nach Nancy statt nach Paris (Nancy Shawcross amüsierte sich sehr über diese Entscheidung) – alles Städte, in denen ihre Universitätslehrer gute Familien kannten, bei denen sie unterkommen konnte. Sie sollte sich mit Englischunterricht etwas Geld dazuverdienen, und Hugh sorgte dafür, dass ihr regelmäßig ein bescheidener Betrag überwiesen wurde. Hugh war erleichtert, dass sie ihre Zeit »in der Provinz« verbringen sollte, in der »sich die Leute im Großen und Ganzen besser benehmen«. (»Er meint langweiliger«, sagte Ursula zu Millie.) Hugh hatte völlig unerbittlich sein Veto gegen Paris eingelegt, gegen diese Stadt hegte er eine besondere Abneigung, und war auch von Nancy nicht begeistert, das immer noch kompromisslos französisch war. (»Weil es in Frankreich ist«, sagte Ursula.) Er habe während des Ersten Weltkriegs genug vom Kontinent gesehen, sagte er, und verstehe nicht, was das Trara solle.
    Ursula hatte gegen Sylvies Vorbehalte moderne Fremdsprachen studiert – Französisch und Deutsch und ein wenig Italienisch (sehr wenig). Da ihr nach ihrem Abschluss nichts Besseres einfiel, hatte sie sich für einen Platz in der Lehrerausbildung beworben und ihn erhalten. Sie verschob die Ausbildung um ein Jahr, weil sie ein bisschen was von der Welt sehen wollte, bevor sie für den Rest ihres Lebens vor einer Schultafel »sesshaft wurde«. Das war zumindest die Begründung, die sie ihren Eltern zur Prüfung vorlegte, insgeheim hoffte sie jedoch, dass während der Zeit im Ausland etwas passierte, was verhinderte, dass sie den Platz einnehmen musste. Sie hatte keine Ahnung, was dieses »Etwas« sein sollte (»Die Liebe vielleicht«, sagte Millie sehnsüchtig). Irgendetwas, was bedeutete, dass sie nicht als verbitterte alte Jungfer in einem Mädchengymnasium endete und immer nur die Konjugationen fremdsprachlicher Verben abspulte, während Kreidestaub wie Schuppen von ihrer Kleidung rieselte. (Dieses Porträt basierte auf ihren eigenen Lehrerinnen.) Es war keine Berufswahl, die in ihrer unmittelbaren Umgebung auf große Begeisterung stieß.
    »Du willst Lehrerin werden?«, fragte Sylvie.
    »Ehrlich, wenn ihre Augenbrauen noch weiter in die Höhe geschossen wären, hätten sie die Atmosphäre verlassen«, sagte Ursula zu Millie.
    »Aber willst du wirklich? Unterrichten?«, fragte Millie.
    »Warum stellt mir jeder, den ich kenne, diese Frage in dem gleichen Tonfall?«, sagte Ursula pikiert. »Bin ich so eindeutig ungeeignet für diesen Beruf?«
    »Ja.«
    Millie ihrerseits hatte einen Kurs in einer Schauspielschule in London absolviert und trat jetzt in einem Repertoiretheater in zweitklassigen Publikumsmagneten und Melodramen in Windsor auf. »Ich warte darauf, entdeckt zu werden«, sagte sie und nahm eine theatralische Pose ein. Alle scheinen auf etwas zu warten, dachte Ursula. »Besser ist es, nicht zu warten, sondern etwas zu tun «, sagte Izzie. Sie hatte leicht reden.
    Millie und Ursula saßen auf Korbstühlen im Garten von Fox Corner und hofften, dass sich die Füchse blicken ließen und im Gras spielten. Eine Füchsin kam bisweilen mit ihrem Wurf in den Garten. Sylvie hatte Essensreste hingestellt, und die Füchsin war jetzt halb zahm und saß mutig mitten auf dem Rasen wie ein Hund, der auf sein Abendessen wartet,

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