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Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Titel: Die Unvollendete: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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Käsetoast – von einem Tablett auf den Knien. Normalerweise aß sie abends so. Es schien lächerlich, für nur eine Person den Tisch zu decken und Gemüse zu kochen und ein Set und alles andere, was dazugehörte, hinzulegen. Um dann was zu tun? Schweigend oder über ein Buch geneigt zu essen? Es gab Leute, die das Essen vor dem Fernseher als den Anfang des Endes der Zivilisation betrachteten. (Und war sie eventuell derselben Ansicht, nur weil sie sie heftig verteidigte?) Sie lebten offenbar nicht allein. Und der Anfang des Endes der Zivilisation hatte sich schon vor langer Zeit ereignet. Sarajewo vielleicht, spätestens Stalingrad. Es gab Stimmen, die behaupteten, das Ende habe mit dem Anfang begonnen, im Garten Eden.
    Und was war so falsch daran, fernzusehen? Man konnte nicht jeden Abend ins Theater oder ins Kino (oder ins Pub) gehen. Und wenn man allein lebte, konnte man sich in den eigenen vier Wänden nur mit einer Katze unterhalten, und das war eine sehr einseitige Angelegenheit. Hunde waren anders, aber seit Lucky hatte sie keinen Hund mehr. Er war im Sommer 49 gestorben, an Altersschwäche, wie der Tierarzt sagte. Ursula hatte ihn immer für einen jungen Hund gehalten. Sie hatten ihn in Fox Corner begraben, und Pamela kaufte eine dunkelrote Rose und pflanzte sie auf sein Grab. Der Garten von Fox Corner war ein richtiger Hundefriedhof. Wohin immer man ging, wuchs eine Rose über einem Hund, doch nur Pamela erinnerte sich, welcher wo lag.
    Und was war die Alternative zum Fernsehen? (Sie gab diese Auseinandersetzung nicht auf, auch wenn sie sie nur mit sich selbst führte.) Ein Puzzle? Wirklich? Man konnte natürlich lesen, aber nach einem anstrengenden Arbeitstag voller Dokumente und Memos und Agendas wollte sie sich die Augen nicht immer mit noch mehr Wörtern weiter ermüden. Radio, Schallplatten, alles natürlich gut, doch in gewisser Weise immer noch solipsistisch. (Ja, sie widersprach zu oft.) Beim Fernsehen musste sie zumindest nicht denken. Was nicht so schlecht war.
    Sie aß später als gewöhnlich, weil sie auf ihrer eigenen Abschiedsfeier gewesen war – der Teilnahme an der eigenen Beerdigung nicht unähnlich, außer dass man danach nach Hause gehen konnte. Es war eine bescheidene Sache gewesen, Drinks in einem nahen Pub, aber angenehm, und sie war erleichtert, dass es sich nicht lange hingezogen hatte (andere hätten sich deswegen schlecht gefühlt). Offiziell ging sie erst am Freitag in den Ruhestand, aber sie hatte gedacht, dass ihre Mitarbeiter es vorziehen würden, die Sache unter der Woche hinter sich zu bringen. Sie hätten ihren Freitagabend vielleicht nur ungern geopfert.
    Zuvor hatten sie ihr im Büro als Abschiedsgeschenk eine Reiseuhr mit der Inschrift Für Ursula Todd, in Dankbarkeit für viele loyale Dienstjahre geschenkt. Du lieber Gott, dachte sie, was für eine langweilige Grabinschrift. Es war ein konventionelles Geschenk, und sie brachte es nicht übers Herz einzugestehen, dass sie bereits eine Reiseuhr besaß, noch dazu eine viel bessere. Doch sie schenkten ihr auch zwei (gute) Karten für die Proms, eine Aufführung von Beethovens Neunter, was sehr aufmerksam war – sie vermutete, dass es die Idee von Jacqueline Roberts, ihrer Sekretärin, gewesen war.
    »Sie haben dabei geholfen, Frauen den Weg in gehobene Positionen des öffentlichen Dienstes zu ebnen«, sagte Jacqueline leise zu ihr und reichte ihr einen Dubonnet, ihr bevorzugtes Getränk dieser Tage. Leider nicht so gehoben, dachte sie. Keine leitenden Positionen. Die waren noch immer den Maurices dieser Welt vorbehalten.
    »Na, dann prost«, sagte sie und stieß mit Jacquelines Port mit Zitrone an. Sie trank nicht viel, hin und wieder einen Dubonnet, eine gute Flasche Burgunder am Wochenende. Nicht wie Izzie, die noch immer in dem Haus in der Melbury Road wohnte und wie eine trunksüchtige Miss Havisham durch die vielen Zimmer wanderte. Ursula besuchte sie jeden Samstagvormittag mit einer Tüte Lebensmittel, von denen die meisten offenbar weggeworfen wurden. Niemand las mehr Die Abenteuer des Augustus. Teddy wäre erleichtert gewesen, doch Ursula bedauerte es, als wäre ein weiterer Teil von ihm von der Welt vergessen worden.
    »Wenn du in den Ruhestand gehst«, sagte Maurice, »kriegst du wahrscheinlich einen Orden.« Er war vor kurzem in den Adelsstand erhoben worden. (»O Gott«, sagte Pamela, »das Land kommt wirklich auf den Hund.«) Er hatte jedem Familienmitglied ein gerahmtes Foto geschickt, auf dem er im

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