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Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Titel: Die Unvollendete: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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Pflaumenkuchen.«
    »Tss«, sagte Bridget. »Nicht diese Ausdrücke.«
    Ein Gewächshaus nahezu ohne Glasscheiben stand da, und darin sahen sie die verdorrten Pfirsich- und Aprikosenbäume. »Verdammte Schande«, sagte Clarence, und Bridget sagte wie Sylvie: »Tss, nicht vor den Kindern.« Clarence ignorierte sie. »Alles vergammelt«, sagte er. »Ich könnte heulen.«
    »Du könntest deine Stelle sicher wiederhaben«, sagte Bridget. »Sie wären bestimmt froh. Es ist ja nicht so, dass du nicht arbeiten kannst mit …« Sie zögerte und deutete vage auf Clarence’ Gesicht.
    »Ich will meine Stelle nicht wiederhaben«, sagte er mürrisch. »Meine Tage als Dienstbote eines reichen Adligen sind vorbei. Ich vermisse den Garten, nicht das Leben. Der Garten war etwas von großer Schönheit.«
    »Wir könnten einen eigenen kleinen Garten anlegen«, sagte Bridget. »Oder einen Schrebergarten.« Bridget schien viel Zeit auf den Versuch zu verwenden, Clarence aufzuheitern. Ursula vermutete, dass sie für die Ehe probte.
    »Ja, warum nicht?«, sagte Clarence und klang grimmig. Er hob einen kleinen sauren Apfel auf, der früh abgefallen war, holte aus wie ein Kricketspieler und schleuderte ihn fort. Er landete auf dem Gewächshaus und zerschlug eine weitere der wenigen verbliebenen Scheiben. »Scheiße«, sagte Clarence, und Bridget wedelte mit der Hand und zischte: »Die Kinder.«
    (»Etwas von großer Schönheit«, sagte Pamela genüsslich am Abend, als sie sich vor dem Zubettgehen das Gesicht mit einem schweren Stück Karbolseife und einem Waschlappen abrieb. »Clarence ist ein Poet.«)
    Auf dem Nachhauseweg roch Ursula noch immer den Duft der Wicken, die sie in Mrs. Dodds’ Spülküche hatten stehen lassen. Es schien eine große Verschwendung, dass sie so ungewürdigt herumstanden. Ursula hatte die Geburtstagsparty mittlerweile vergessen und war nahezu genauso überrascht wie Teddy, als sie zu Hause ankamen und den Flur mit Fähnchen und Wimpeln geschmückt vorfanden. Die strahlende Sylvie hielt ein in Papier verpacktes Geschenk in Händen, das zweifellos ein Spielzeugflugzeug war.
    »Überraschung«, sagte sie.

11. November 1918
    S o eine melancholische Jahreszeit«, sagte Sylvie an niemanden gerichtet.
    Das Laub lag dick auf dem Rasen. Der Sommer war erneut ein Traum. Ursula begann zu vermuten, dass jeder Sommer ein Traum war. Die letzten Blätter fielen, und die große Buche war nahezu ein Skelett. Der Waffenstillstand schien Sylvie mehr zu bedrücken als der Krieg. (»Alle diese armen Jungs, für immer tot. Der Frieden wird sie nicht wieder lebendig machen.«)
    Wegen des großen Sieges hatten sie einen Tag schulfrei und wurden zum Spielen nach draußen in den morgendlichen Nieselregen geschickt. Sie hatten neue Nachbarn, Major und Mrs. Shawcross, weswegen sie einen Gutteil des feuchten Morgens damit verbrachten, durch Lücken in der Stechpalmenhecke zu spähen, um einen Blick auf die Töchter der Shawcross’ zu werfen. In der Nachbarschaft lebten keine anderen Mädchen in ihrem Alter, und die Coles hatten nur Jungen. Sie waren keine Rabauken wie Maurice, hatten gute Manieren und waren nie gemein zu Pamela und Ursula.
    »Ich glaube, sie spielen Verstecken«, berichtete Pamela von der Shawcross-Front. Ursula versuchte, durch die Hecke etwas zu sehen, und kratzte sich dabei im Gesicht an den tückischen Stechpalmen. »Ich glaube, sie sind so alt wie wir«, sagte Pamela. »Da ist sogar eine Kleine für dich, Teddy.« Teddy zog die Augenbrauen in die Höhe und sagte: »Oh.« Teddy mochte Mädchen. Mädchen mochten Teddy. »Oh, warte, da ist noch eine«, sagte Pamela. »Es werden immer mehr.«
    »Eine Größere oder eine Kleinere?«, fragte Ursula.
    »Kleiner, noch ein Mädchen. Eher ein Baby. Das von einer Älteren getragen wird.« Die Mathematik so vieler Mädchen verwirrte Ursula.
    »Fünf!«, sagte Pamela atemlos. Offenbar hatte sie eine Endsumme errechnet. »Fünf Mädchen.«
    Trixie hatte sich mittlerweile durch die Hecke gedrängt, und sie hörten die aufgeregten Schreie, die ihre Ankunft auf der anderen Seite der Stechpalmen begleiteten.
    »Hört mal«, sagte Pamela und hob die Stimme, »können wir unseren Hund zurückhaben?«

    Zum Mittagessen gab es gekochte Würstchen in Yorkshirepudding und einen Brotpudding mit Himbeermarmelade und Meringuehaube.
    »Wo seid ihr gewesen?«, fragte Sylvie. »Ursula, du hast Zweige im Haar. Du siehst aus wie eine Wilde.«
    »Stechpalme«, sagte Pamela. »Wir waren nebenan.

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