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Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Titel: Die Unvollendete: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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Wir haben die Shawcross-Mädchen kennengelernt. Fünf Stück.«
    »Ich weiß«, sagte Sylvie und zählte sie an den Fingern ab. »Winnie, Gertie, Millie, Nancy und …«
    »Beatrice«, ergänzte Pamela.
    »Wurdet ihr rübergebeten?«, fragte Mrs. Glover, eine Verfechterin der Schicklichkeit.
    »Wir haben eine Lücke in der Hecke gefunden«, sagte Pamela.
    »Da schleichen auch die verdammten Füchse durch«, murrte Mrs. Glover. »Sie kommen aus dem Wäldchen.« Sylvie runzelte die Stirn über Mrs. Glovers Ausdrucksweise, sagte jedoch nichts, weil sie offiziell in Feierlaune waren. Sylvie, Bridget und Mrs. Glover sprachen mit einem Glas Sherry »einen Toast auf den Frieden« aus. Weder Sylvie noch Mrs. Glover waren in der Stimmung zu jubilieren. Hugh und Izzie waren noch an der Front, und Sylvie sagte, sie würde erst glauben, dass Hugh in Sicherheit war, wenn er durch die Tür kam. Izzie hatte während des Kriegs einen Krankenwagen gefahren, was jenseits ihrer aller Vorstellungskraft war. George Glover wurde in einem Heim in den Cotswolds »rehabilitiert«. Mrs. Glover hatte ihn dort besucht, war jedoch nicht geneigt, über das zu sprechen, was sie vorgefunden hatte, außer zu sagen, dass George nicht länger wirklich George war. »Ich glaube, keiner von ihnen ist mehr, wer er war«, sagte Sylvie. Ursula versuchte sich vorzustellen, nicht mehr Ursula zu sein, aber die Aufgabe überstieg ihre Fähigkeiten.
    Zwei junge Frauen der Landarmee der Frauen hatten Georges Stelle auf dem Bauernhof übernommen. Beide waren Pferdenärrinnen aus Northamptonshire, und Sylvie sagte, dass sie sich selbst für die Stelle beworben hätte, hätte sie gewusst, dass sie Frauen mit Samson und Nelson arbeiten ließen. Die Mädchen waren mehrmals zum Tee gekommen und hatten zu Mrs. Glovers Empörung mit ihren verdreckten Wickelgamaschen in der Küche gesessen.

    Bridget hatte ihren Hut aufgesetzt und war bereit, sich auf den Weg zu machen, als Clarence schüchtern an die Hintertür klopfte und Sylvie und Mrs. Glover leise grüßte. Das »glückliche Paar«, wie Mrs. Glover sie nannte, ohne ihnen auch nur andeutungsweise Glück zu wünschen, wollte mit dem Zug nach London fahren, um an den Siegesfeiern teilzunehmen. Bridget war vor Aufregung ganz aus dem Häuschen. »Und Sie wollen wirklich nicht mitkommen, Mrs. Glover? Ich bin sicher, dass es ein Riesenspaß werden wird.« Mrs. Glover verdrehte die Augen wie ein missmutige Kuh. Sie »mied Menschenmengen« wegen der Grippeepidemie. Ein Neffe von ihr war tot auf der Straße zusammengebrochen, beim Frühstück war er noch völlig gesund gewesen, und »mittags war er tot«. Sylvie meinte, dass sie keine Angst vor der Grippe haben sollten. »Das Leben muss weitergehen«, sagte sie.
    Nachdem Bridget und Clarence zum Bahnhof aufgebrochen waren, saßen Mrs. Glover und Sylvie am Küchentisch und tranken noch ein Glas Sherry. »Riesenspaß, meine Güte«, sagte Mrs. Glover. Als Teddy mit Trixie im Schlepptau auftauchte und verkündete, dass er Hunger habe, und: »Hatten sie das Mittagessen vergessen?«, war die Meringue auf dem Pudding zusammengefallen und verbrannt. Das letzte Kriegsopfer.

    Sie hatten vergeblich versucht, wach zu bleiben, bis Bridget zurückkehrte, und waren alle über ihrer Bettlektüre eingeschlafen. Pamela war gebannt von Hinter dem Nordwind, während Ursula sich durch Der Wind in den Weiden arbeitete. Mole mochte sie besonders. Ursula las und schrieb rätselhaft langsam (»Übung macht den Meister, Liebes«) und mochte es am liebsten, wenn Pamela ihr laut vorlas. Beide liebten sie Märchen und hatten alle Bücher von Andrew Lang, alle zwölf verschiedenfarbigen Bände, die Hugh ihnen zu Geburtstagen und an Weihnachten geschenkt hatte. »Etwas von großer Schönheit«, sagte Pamela.
    Bridgets laute Rückkehr weckte Ursula, und sie weckte ihrerseits Pamela, und sie schlichen beide auf Zehenspitzen die Treppe hinunter, wo eine übermütige Bridget und ein gefassterer Clarence sie mit Geschichten über die Feierlichkeiten, über das »Menschenmeer« und die gutgelaunte Menge unterhielten, die sich nach dem König heiser schrie (»Wir wollen den König sehen! Wir wollen den König sehen!«, rief Bridget begeistert), bis er auf den Balkon des Buckingham-Palastes trat. »Und die Glocken«, sagte Clarence, »noch nie habe ich so was gehört. Alle Glocken Londons haben den Frieden verkündet.«
    »Etwas von großer Schönheit«, sagte Pamela.
    Bridget hatte in der Menge

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