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Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Titel: Die Unvollendete: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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das heißt nicht, dass ich es sprechen kann.«
    »Du bist ein drolliges kleines Ding.« Izzie zog heftig an ihrer Zigarettenspitze und kräuselte dann ihren (erstaunlich) roten Amorbogen, als wollte sie Trompete spielen, bevor sie einen Schwall Rauch ausstieß. Mehrere Männer, die in der Nähe saßen, starrten sie fasziniert an.
    Sie zwinkerte Ursula zu. »Ich wette, die ersten französischen Worte, die du gelernt hast, waren déjà vu. Du Arme. Vielleicht bist du als Baby auf den Kopf gefallen. Ich bestimmt. Komm, wir essen, ich habe Heißhunger, du nicht? Ich sollte eigentlich abnehmen, aber jeder hat seine Grenzen«, sagte Izzie und schnitt begeistert in ihr Rindfleisch.
    Das war ein Fortschritt. Als Ursula sie auf dem Bahnsteig von Marylebone getroffen hatte, war Izzie grünlich im Gesicht gewesen und hatte gesagt, ihr sei nach der »verruchten« Nacht in einem Club in der Jermyn Street »ein bisschen unwohl« wegen der Austern und des Rums (»nie eine gute Kombination«). Jetzt waren die Austern offensichtlich vergessen, und sie aß, als wäre sie am Verhungern, obwohl sie wie immer behauptete, »auf ihre Figur zu achten«. Zudem behauptete sie, »vollkommen pleite« zu sein, verprasste ihr Geld jedoch auf höchst extravagante Weise. »Was ist das Leben schon wert, wenn man nicht ein bisschen Spaß haben kann?«, sagte sie. (»So wie ich es sehe, besteht ihr Leben nur aus Spaß«, murrte Hugh.)
    Spaß – und die dazugehörigen Gaumenfreuden – war notwendig, stellte Izzie fest, um die Tatsache zu versüßen, dass sie jetzt »zum Fußvolk der Arbeiter gehörte« und auf eine Schreibmaschine »einhämmern« musste, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. »Du meine Güte, man könnte glauben, dass sie Kohle abbaut«, sagte Sylvie verärgert nach einem seltenen und ziemlich streitbaren Familienmittagessen in Fox Corner. Nachdem Izzie gegangen war, half Sylvie Bridget beim Abräumen des Geschirrs, knallte die Worcester-Obstteller auf den Tisch und sagte: »Sie verzapft nur Unsinn, und das schon seitdem sie sprechen kann.«
    »Erbstücke«, sagte Hugh und rettete das Worcester.
    Izzie hatte es geschafft, einen Job zu bekommen (»Gott weiß, wie«, sagte Hugh), und schrieb für eine Tageszeitung eine wöchentliche Kolumne zum Thema »alleinstehende Frau« – Abenteuer einer Junggesellin hieß die Rubrik. »Jeder weiß, dass es einfach zu wenige Männer gibt«, sagte sie und biss am Regency-Revival-Esstisch von Fox Corner in ein Brötchen. (» Du scheinst keine Schwierigkeiten zu haben, sie zu finden«, murmelte Hugh.) »Die armen Jungs sind alle tot«, fuhr Izzie fort und ignorierte ihn. Das Brötchen war ungeachtet der großen Mühen der Kuh dick mit Butter bestrichen. »Es ist nicht zu ändern, wir müssen so gut es geht ohne sie zurechtkommen. Die moderne Frau muss sich allein durchschlagen ohne Aussicht auf Beistand an Heim und Herd. Sie muss lernen, unabhängig zu sein, emotional, finanziell und, das ist am wichtigsten, intellektuell. « (»Blödsinn.« Wieder Hugh.) »Nicht nur die Männer mussten sich im Krieg opfern.« (»Sie sind tot, du nicht, das ist der Unterschied«, sagte Sylvie. Eiskalt.)
    »Die Frauen der unteren Klassen«, sagte Izzie eingedenk von Mrs. Glover, die mit einer Schüssel Rindfleischeintopf neben ihrem Ellbogen stand, »wussten natürlich schon immer, was es heißt, zu arbeiten.« Mrs. Glover bedachte sie mit einem drohenden Blick und fasste die Schöpfkelle fester. (»Dunkler Rindereintopf, wie köstlich, Mrs. Glover. Was tun Sie hinein, dass er so schmeckt? Wirklich? Wie interessant. «) »Wir bewegen uns selbstverständlich auf eine klassenlose Gesellschaft zu.« Diese Bemerkung galt Hugh, erntete jedoch ein verächtliches Schnauben von einer nicht beschwichtigten Mrs. Glover.
    »Dann bist du diese Woche also Bolschewikin?«, fragte Hugh.
    »Wir sind jetzt alle Bolschewiken«, sagte Izzie unbekümmert.
    »Und das an meinem Tisch!«, sagte Hugh und lachte.
    »Sie ist so eine Närrin«, sagte Sylvie, nachdem Izzie endlich zum Bahnhof aufgebrochen war. »Und so viel Schminke! Man könnte meinen, sie steht auf der Bühne. Aber sie glaubt natürlich, ständig auf der Bühne zu stehen. Sie ist ihr eigenes Theater.«
    »Ihr Haar«, sagte Hugh bedauernd. Selbstredend hatte sich Izzie als Erste von allen ihren Bekannten einen Bubikopf schneiden lassen. Hugh hatte den Frauen in seiner Familie ausdrücklich verboten, sich die Haare schneiden zu lassen. Kaum war dieses väterliche Edikt

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