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Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Titel: Die Unvollendete: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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ausgesprochen, als die normalerweise nicht rebellische Pamela mit Winnie Shawcross in die Stadt gefahren war, von wo beide mit kurz geschorenem Haar zurückkehrten. (»Das ist besser beim Sport«, lautete ihre rationale Erklärung.) Pamela hatte ihre dicken Zöpfe zurückgebracht, ob als Relikte oder Trophäen, war schwer zu entscheiden. »Meuterei in der Truppe, hm?«, sagte Hugh. Da beide nicht gern stritten, war die Angelegenheit damit erledigt. Die Zöpfe lagen jetzt ganz hinten in der Schublade neben Pamelas Unterwäsche. »Man weiß nie, vielleicht sind sie noch zu etwas nütze«, sagte sie. Niemand in der Familie hatte eine Vorstellung, was dieses Etwas sein könnte.
    Sylvies Vorbehalte reichten weiter als Frisur oder Schminke. Sie konnte Izzie das Baby nicht verzeihen. Er wäre jetzt dreizehn, so alt wie Ursula. »Ein kleiner Fritz oder Hans«, sagte sie. »In seinen Adern fließt das Blut meiner Kinder. Aber Izzie interessiert sich natürlich nur für Izzie.«
    »Aber sie kann nicht nur oberflächlich sein«, sagte Hugh. »Sie muss im Krieg schreckliche Dinge gesehen haben.« Als hätte er das nicht.
    Sylvie warf den Kopf zurück. Es sah aus, als hätte ihr wunderschönes Haar einen Heiligenschein aus Mücken. Sie beneidete Izzie um den Krieg, sogar um seine Schrecknisse. »Trotzdem ist sie eine Närrin«, sagte sie, und Hugh lachte und sagte: »Ja, das ist sie.«
    Izzies Kolumne war vor allem das Tagebuch ihres eigenen hektischen Lebens, hin und wieder unterbrochen von einem kleinen Kommentar zur sozialen Lage. Letzte Woche behandelte die Kolumne unter der Überschrift »Wie kurz kann er werden?« vorgeblich »das Kürzerwerden des emanzipierten weiblichen Rocksaums«, bestand jedoch überwiegend aus Ratschlägen, wie man die nötigen wohlgestalten Knöchel erwarb. Stellen Sie sich rückwärts auf Zehenspitzen auf die unterste Stufe einer Treppe und lassen Sie die Fersen dann über die Kante nach unten sinken. Pamela hatte die ganze Woche auf der Treppe zum Dachboden geübt und erklärt, keinerlei Wirkung erzielt zu haben.
    Sehr gegen seinen Willen hielt Hugh es für nötig, jede Woche am Freitag Izzies Zeitung zu kaufen und sie auf dem Nachhauseweg im Zug zu lesen, »um ein Auge darauf zu haben, was sie schreibt« (und dann warf er den Stein des Anstoßes auf das Tischchen im Flur, von wo Pamela ihn retten konnte). Hugh graute insbesondere davor, dass Izzie über ihn schreiben würde, und sein einziger Trost bestand darin, dass sie die Kolumne unter dem Pseudonym Delphine Fox verfasste, was der »albernste Name« war, den Sylvie je gehört hatte. »Delphine«, sagte er, »ist ihr zweiter Vorname, nach ihrer Patentante. Und Todd ist ein altes Wort für Fuchs, es steckt also eine gewisse Logik dahinter. Nicht, dass ich sie verteidigen will.«
    »Aber so heiße ich, der Name steht auf meiner Geburtsurkunde«, sagte Izzie und blickte gekränkt drein, als sie bei einem Glas Wein vor dem Essen zur Rede gestellt wurde. »Er geht auf Delphi zurück, das Orakel und so weiter. Sehr passend, würde ich sagen.« (»Ist sie jetzt ein Orakel?«, fragte Sylvie. »Wenn sie ein Orakel ist, bin ich Tutanchamuns Hohepriesterin.«)
    Als Delphine hatte Izzie schon mehrmals »meine beiden Neffen« erwähnt (»Großartige Bengel, alle beide!«), jedoch keine Namen genannt. »Bislang«, sagte Hugh düster. Sie hatte ein paar »amüsante Anekdoten« über diese eindeutig fiktiven Neffen erfunden. Maurice war achtzehn (Izzies »stramme kleine Kerlchen« waren neun und elf) und noch im Internat, und er hatte in den letzten zehn Jahren keine zehn Minuten in Izzies Gesellschaft verbracht. Und Teddy neigte dazu, Situationen zu meiden, die sich zu Anekdoten entwickeln könnten.
    »Wer sind diese Jungen?«, rätselte Sylvie bei Mrs. Glovers überraschend kapriziöser Interpretation von Seezunge à la Véronique. Neben ihrem Teller lag eine zusammengefaltete Zeitung, und sie tippte mit dem Zeigefinger auf Izzies Kolumne, als wäre sie möglicherweise mit Keimen infiziert. »Haben sie in irgendeiner Weise etwas mit Maurice und Teddy zu tun?«
    »Was ist mit Jimmy?«, sagte Teddy zu Izzie. »Warum schreibst du nicht über ihn? « Jimmy, flott in einem handgestrickten himmelblauen Pullover, löffelte sich Kartoffelbrei in den Mund und schien nicht sonderlich bekümmert, dass er für die Hochliteratur nicht vorgesehen war. Er war ein Kind des Friedens, der Krieg, der alle Kriege beenden sollte, war schließlich für Jimmy geführt worden.

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