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Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Titel: Die Unvollendete: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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Und doch behauptete Sylvie wieder einmal, von diesem weiteren Mitglied der Familie überrascht zu sein. (»Vier erschienen wie ein vollständiger Satz.«) Einst hatte Sylvie keine Ahnung gehabt, wie Kinder in die Welt kamen, jetzt schien sie nicht zu wissen, wie man sie daran hinderte. (»Jimmy ist wie ein nachträglicher Gedanke«, sagte Sylvie.
    »Ich habe nicht viel dabei gedacht «, sagte Hugh, und sie lachten beide, und Sylvie sagte: »Also wirklich, Hugh.«)
    Nach Jimmys Ankunft hatte Ursula das Gefühl, als würde sie weiter aus dem Kern der Familie gedrängt, wie ein Gegenstand auf einem übervollen Tisch an den Rand geschoben wird. Ein Kuckuckskind, hörte sie Sylvie zu Hugh sagen. Ursula ist ein bisschen wie ein tolpatschiger Kuckuck. Aber wie konnte man ein Kuckuck im eigenen Nest sein? »Du bist doch meine richtige Mutter, oder?«, fragte sie Sylvie, und Sylvie lachte und sagte: »Aber sicher, Liebes.«
    »Sie fällt aus der Reihe«, sagte sie zu Dr. Kellet.
    »Tja, so jemand muss es immer geben«, erwiderte er.

    »Schreib nicht über meine Kinder, Isobel«, sagte Sylvie hitzig zu Izzie.
    »Um Himmels willen, Sylvie, sie sind erfunden. «
    »Schreib nicht einmal über meine erfundenen Kinder.« Sie hob das Tischtuch an und spähte darunter. »Was machst du mit deinen Füßen?«, fragte sie Pamela gereizt, die ihr am Tisch gegenübersaß.
    »Ich lasse meine Knöchel kreisen«, sagte Pamela unbeeindruckt von Sylvies Gereiztheit. Pamela war dieser Tage ziemlich unerschrocken und zugleich ziemlich vernünftig, eine Kombination, die dazu geschaffen schien, Sylvie zu verärgern. (»Du bist wie dein Vater«, hatte sie zu Pamela anlässlich einer unbedeutenden Meinungsverschiedenheit am Morgen gesagt. »Aber warum ist das was Schlechtes?«, erwiderte Pamela.) Pamela wischte klebrigen Kartoffelbrei von Jimmys rosigen Wangen und sagte: »Erst im Uhrzeigersinn, dann gegen den Uhrzeigersinn. Um wohlgestalte Knöchel zu kriegen, laut Tante Izzie.«
    »Izzie ist niemand, von dem sich irgendjemand mit einem Fünkchen Verstand Ratschläge geben lässt.« (»Wie bitte?«, sagte Izzie.) »Abgesehen davon bist du zu jung für wohlgestalte Knöchel.«
    »Also«, sagte Pamela, »ich bin fast so alt wie du, als du Daddy geheiratet hast.«
    »Oh, wunderbar«, sagte Hugh, erleichtert beim Anblick von Mrs. Glover, die auf der Türschwelle auf ihren Auftritt mit dem Riz impératrice wartete. »Der Geist von Auguste Escoffier wacht heute über Sie, Mrs. Glover.« Mrs. Glover konnte nicht umhin, zur Decke zu blicken.

    »Oh, wunderbar«, sagte Izzie. »Kabinettpudding. Auf Simpson’s ist Verlass, wenn es um Kinderspeisen geht. Wir hatten einen richtigen Trakt mit Kinderzimmern, der ganze erste Stock des Hauses.«
    »In Hampstead? Großmutters Haus?«
    »Genau das. Ich war das Baby. Wie Jimmy.« Izzie sackte ein wenig zusammen, als würde sie sich an eine lang vergessene Traurigkeit erinnern. Die Straußenfeder auf ihrem Hut zitterte mitfühlend. Der Anblick der silbernen Sauciere mit Vanillesoße belebte sie wieder. »Du hast also diese komischen Gefühle nicht mehr? Diese Déjà vus und so weiter?«
    »Ich?«, sagte Ursula. »Nein. Manchmal. Nicht sehr oft. Das war früher, du weißt schon. Jetzt ist es weg. Mehr oder weniger.« War es das? Sie war nie sicher. Ihre Erinnerungen schienen ein Wasserfall von Echos zu sein. Konnten Echos wie Wasser herabstürzen? Wahrscheinlich nicht. Sie hatte unter Dr. Kellets Anleitung (überwiegend vergeblich) versucht zu lernen, sich präzise auszudrücken. Sie vermisste die gemütliche Stunde ( Tête-à-Tête hatte er es genannt; noch mehr Französisch) am Donnerstagnachmittag. Sie war zehn Jahre alt gewesen, als sie zum ersten Mal zu ihm gegangen war, und hatte es genossen, aus Fox Corner befreit und in Gesellschaft von jemandem zu sein, der seine Aufmerksamkeit ihr und nur ihr schenkte. Sylvie oder meistens Bridget setzten Ursula in den Zug, und am anderen Ende nahm Izzie sie in Empfang, obwohl beide, Sylvie und Hugh, bezweifelten, dass Izzie zuverlässig genug war, um sich um ein Kind zu kümmern. (»Mir ist aufgefallen, dass Zweckmäßigkeit im Allgemeinen die Oberhand über moralische Bedenken gewinnt«, sagte Izzie zu Hugh. »Wenn ich ein zehnjähriges Kind hätte, könnte ich vermutlich nicht ruhig schlafen, wenn ich es allein mit dem Zug fahren ließe.« »Du hast ein zehnjähriges Kind«, sagte Hugh. Der kleine Fritz. »Könnten wir nicht versuchen, ihn zu finden?«, fragte

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