Die Unvollendete: Roman (German Edition)
ungesehn verlass. Als sie richtig wach war, wurde ihr klar, dass sie sich unmöglich um einen Hund kümmern konnte.
In der Arbeit wurde die Ödnis, die Bücher zu führen, an diesem Tag von der Aussicht auf die halb volle Flasche aufgeheitert, die in ihrer Küche stand. Schließlich konnte sie noch eine Flasche für das Rindfleisch kaufen.
»Er war gut, nicht wahr?«, sagte der Weinhändler, als sie zwei Tage später sein Geschäft erneut betrat.
»Nein, nein«, sagte sie und lachte. »Ich habe das Essen noch nicht gekocht. Aber ich sollte doch etwas genauso Gutes zum Trinken dazu haben.« Ihr wurde klar, dass sie in dieses schöne Geschäft nicht mehr würde kommen können, die Anzahl der Bœuf bourguignons, die sie kochen konnte, war begrenzt.
Für Pamela machte Ursula einen bescheidenen Cottage Pie, gefolgt von Bratäpfeln mit Vanillesoße. »Ich habe dir ein Geschenk aus Schottland mitgebracht«, sagte Pamela und überreichte ihr eine Flasche Malt Whisky.
Als der Whisky ausgetrunken war, fand sie einen anderen Weinhändler, der seine Ware weniger hochachtungsvoll behandelte. »Für ein Bœuf bourguignon «, sagte sie, obwohl er sich nicht für den Verwendungszweck interessierte. »Ich nehme zwei Flaschen, ich koche für viele Leute.« Zwei Flaschen Guinness aus der Gaststätte an der Ecke. »Für meinen Bruder«, sagte sie, »er ist ganz unerwartet vorbeigekommen.« Teddy war noch keine achtzehn, sie bezweifelte, dass er Alkohol trank. Zwei Tage später noch einmal das Gleiche. »Ist Ihr Bruder wieder da, Miss?«, fragte der Wirt. Er zwinkerte ihr zu, und sie wurde rot.
In einem italienischen Restaurant in Soho, an dem sie »zufällig vorbeikam«, verkaufte man ihr bedenkenlos zwei Flaschen Chianti, ohne Fragen zu stellen. »Sherry vom Fass« – sie ging mit einem Krug zum Co-op am Ende der Straße, und sie füllten ihn aus dem Holzfass ab. (»Für meine Mutter.«) Rum aus einer Gaststätte weit entfernt von ihrer Wohnung (»für meinen Vater«). Sie war wie eine Wissenschaftlerin, die mit unterschiedlichen Arten von Alkohol experimentierte, aber sie wusste, was ihr am besten schmeckte, die erste Flasche echter Hippokrene, der blutrote Wein. Sie überlegte, wie sie sich eine Kiste liefern lassen könnte (»für eine Familienfeier«).
Sie war zur heimlichen Trinkerin geworden. Es war ein privater Akt, intim und einsam. Allein schon beim Gedanken an ein Glas klopfte ihr Herz vor Angst und Freude. Zwischen den restriktiven Schankgesetzen und dem Schrecken der Demütigung hatte eine junge Frau aus Bayswater dummerweise große Mühe, ihrer Sucht zu frönen. Für die Reichen war es einfacher, Izzie hatte irgendwo ein Kundenkonto, wahrscheinlich bei Harrods, und ließ sich das Zeug ins Haus liefern.
Sie hatte den Zeh ins Wasser der Lethe getaucht, und im nächsten Augenblick ging sie unter, innerhalb weniger Wochen war sie von einer ernsthaften jungen Frau zur Trinkerin geworden. Es war beschämend und noch dazu eine vernichtende Schande. Jeden Morgen erwachte sie und dachte, heute Abend nicht, heute Abend werde ich nichts trinken, und jeden Nachmittag baute sich das Bedürfnis auf, wenn sie sich vorstellte, wie sie am Ende des Tages ihre Wohnung betrat und vom Vergessen begrüßt wurde. Sie hatte die sensationslüsternen Berichte über die Opiumhöhlen von Limehouse gelesen und fragte sich, ob sie der Wahrheit entsprachen. Opium klang besser als Burgunder, wenn es darum ging, den Schmerz des Lebens zu lindern. Izzie hätte ihr wahrscheinlich die Adresse einer chinesischen Opiumhöhle nennen können, sie »hatte Opium geraucht«, hatte sie unbekümmert erzählt, aber es war nicht wirklich etwas, wonach Ursula sie fragen konnte. Womöglich führte Opium nicht ins Nirwana (sie erwies sich schließlich doch als begabte Schülerin von Dr. Kellet), sondern zu einem neuen Belgravia.
Izzie durfte gelegentlich wieder an Familienfeiern teilnehmen. (»Hochzeiten und Beerdigungen«, sagte Sylvie. »Keine Taufen.«) Sie war zu Pamelas Hochzeit eingeladen, doch zu Sylvies großer Erleichterung entschuldigte sie sich. »Ein Wochenende in Berlin«, sagte sie. Sie kannte jemanden mit einem Flugzeug (aufregend), der sie hinflog. Hin und wieder besuchte Ursula Izzie. Sie hatten das Grauen von Belgravia gemein, eine Erinnerung, die sie für immer verband, auch wenn sie nie darüber sprachen.
Sie schickte ein Hochzeitsgeschenk, einen Kasten mit silbernen Kuchengabeln, ein Geschenk, das Pamela amüsierte. »Wie mondän«,
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