Die Unvollendete: Roman (German Edition)
Nichts Dramatisches, nur etwas so Kleines und Häusliches wie ein Bœuf bourguignon, das sie für Pamela hatte kochen wollen, als sie ein paar Monate zuvor ein Wochenende bei ihr verbrachte. Pamela arbeitete noch in einem Labor in Glasgow und wollte Einkäufe für die Hochzeit machen. Auch Harold war noch nicht umgezogen, er sollte seine Stelle im Royal London in ein paar Wochen antreten. »Wir machen uns ein schönes Wochenende, nur wir beide«, sagte Pamela.
»Hilda ist nicht da«, log Ursula. »Sie ist mit ihrer Mutter übers Wochenende nach Hastings gefahren.« Es gab keinen Grund, warum sie Pamela die Wahrheit über ihr Arrangement mit Hilda nicht erzählen sollte, Pamela war immer die Person gewesen, der gegenüber sie ehrlich sein konnte, und doch hatte etwas sie zurückgehalten.
»Wunderbar«, sagte Pamela. »Ich ziehe Hildas Matratze in dein Schlafzimmer, und dann ist es wieder wie in alten Zeiten.«
»Freust du dich darauf, verheiratet zu sein?«, fragte Ursula, als sie im Bett lagen. Es war überhaupt nicht wie in alten Zeiten.
»Natürlich freue ich mich, warum sollte ich sonst heiraten? Mir gefällt die Vorstellung. Die Ehe hat etwas Glattes, Rundes und Solides an sich.«
»Wie ein Kieselstein?«, sagte Ursula.
»Wie eine Symphonie. Oder vielmehr wie ein Duett.«
»Sieht dir gar nicht ähnlich, so poetisch zu werden.«
»Mir gefällt, wie unsere Eltern miteinander leben«, sagte Pamela.
»Ja?« Es war eine Weile her, dass Pamela länger bei Sylvie und Hugh gewesen war. Vielleicht wusste sie nicht, wie sie dieser Tage miteinander lebten. Mit viel Dissonanz und wenig Harmonie.
»Hast du jemand kennengelernt?«, fragte Pamela vorsichtig.
»Nein. Niemand.«
»Noch nicht«, sagte Pamela so optimistisch, wie es ihr nur möglich war.
Das Bœuf bourguignon erforderte selbstverständlich Burgunder, und während der Mittagspause ging Ursula zu dem Weinhändler, an dessen Laden sie jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit vorbeikam. Es war ein altes Geschäft, das Holz darin sah aus, als hätte es sich im Lauf der Jahrhunderte mit Wein vollgesogen, und die dunklen Flaschen mit den schönen Etiketten schienen etwas zu verheißen, was über ihren Inhalt hinausging. Der Weinhändler suchte eine Flasche für sie aus, manche Leute benutzten zum Kochen minderwertigen Wein, sagte er, aber minderwertiger Wein eignete sich nur für Essig. Er selbst war herb und ziemlich schwer. Er behandelte die Flasche mit der zärtlichen Fürsorge, wie man sie normalerweise nur Babys angedeihen ließ, wickelte sie liebevoll in Seidenpapier, bevor er sie Ursula überreichte. Sie legte sie in ihre geflochtene Einkaufstasche, wo sie während des Nachmittags vor den Augen des Büros verborgen blieb, damit sie sie nicht für eine heimliche Trinkerin hielten.
Den Burgunder hatte sie vor dem Rindfleisch gekauft, und am Abend öffnete Ursula die Flasche, um ein Glas zu probieren, da er von dem Weinhändler in den höchsten Tönen gepriesen worden war. Natürlich hatte sie schon Alkohol getrunken, sie war schließlich keine Abstinenzlerin, aber allein hatte sie noch nie getrunken. Nie eine teure Flasche Burgunder entkorkt und nur für sich ein Glas eingeschenkt (Morgenmantel, Lockenwickler, ein gemütliches Gasfeuer). Es war, als würde sie an einem kalten Abend in ein warmes Bad steigen, der schwere, weiche Wein war plötzlich ungemein tröstlich. Das war Keats Becher Süden, warm und rund, nicht wahr? Die gewohnte Niedergeschlagenheit schien sich ein wenig zu verflüchtigen, deswegen trank sie noch ein Glas. Als sie aufstand, war ihr ein bisschen schwummrig, und sie musste über sich selbst lachen. »Beschwipst«, sagte sie zu niemandem und fragte sich, ob sie sich einen Hund zulegen sollte. Mit einem Hund könnte sie sprechen. Ein Hund wie Jock würde sie jeden Tag mit frohgemutem Optimismus begrüßen, und der würde vielleicht ein wenig auf sie abfärben. Jock war tot, ein Herzinfarkt, hatte der Tierarzt gesagt. »Und er hatte ein so starkes kleines Herz«, sagte Teddy, dessen Herz gebrochen war. Er war durch einen Whippet mit traurigen Augen ersetzt worden, der zu zart für ein wildes Hundeleben schien.
Ursula spülte das Glas und steckte den Korken zurück in die Flasche, bevor sie ins Bett wankte. Es war noch genug für das Rindfleisch am nächsten Tag übrig.
Sie schlief rasch ein und erwachte erst, als der Wecker klingelte, das war eine angenehme Abwechslung von der üblichen Ruhelosigkeit. Auf dass ich trinke und die Welt so
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