Die Unvollendete: Roman (German Edition)
Mr. Winton war nicht nötig. »Ich habe mich selbst gerettet«, sagte er.
»Dann ist er nicht ganz gewöhnlich«, meinte Hilda und bot Ursula eine Zigarette an. Sie zögerte, bevor sie ablehnte, sie war noch nicht bereit, sich eine andere Sucht zuzulegen. Sie war gerade dabei, ihre Habseligkeiten zu packen, und konnte es kaum erwarten, Bayswater hinter sich zu lassen. Derek wohnte in Holborn, schloss jedoch gerade den Kauf eines Hauses für sie ab.
»Ich habe übrigens dem Hausbesitzer geschrieben«, sagte Hilda, »dass wir beide ausziehen. Ernies Frau hat in die Scheidung eingewilligt, habe ich es schon gesagt?« Sie gähnte. »Er hat mich gefragt. Ich habe ja gesagt. Wir werden beide ehrbare verheiratete Frauen sein. Ich kann dich besuchen in – wo noch mal?«
»Wealdstone.«
Die Trauung fand in einem Standesamt statt, und es waren auf Dereks Wunsch hin nur seine Mutter und Hugh und Sylvie anwesend. Pamela war verwirrt, weil sie nicht eingeladen war. »Wir wollten nicht warten«, sagte Ursula. »Und Derek wollte keinen Rummel.«
»Und willst du auch keinen Rummel?«, fragte Pamela. »Ist das nicht der Zweck einer Hochzeit?«
Nein, sie wollte auch keinen Rummel. Es zählte nur, dass sie zu jemandem gehören und endlich sicher sein würde. Eine Braut zu sein bedeutete nichts, eine Ehefrau zu sein alles. »Wir wollen es schlicht«, sagte sie entschlossen. (»Und billig, so wie es aussieht«, sagte Izzie. Ein weiterer Kasten mit banalen silbernen Kuchengabeln wurde geschickt.)
»Er scheint ein sympathischer Kerl zu sein«, sagte Hugh bei dem sogenannten Empfang – ein Drei-Gänge-Mittagessen in einem Restaurant in der Nähe des Standesamtes.
»Das ist er«, sagte Ursula. »Sehr sympathisch.«
»Aber es ist doch eine etwas komische Veranstaltung, kleiner Bär«, sagte Hugh. »Nicht wie Pammys Hochzeit. Da war die halbe Old Kent Road dabei. Und der arme Ted war entrüstet, dass er heute nicht eingeladen ist. Aber die Hauptsache ist«, fügte er aufmunternd hinzu, »dass du glücklich bist.«
Ursula trug ein taubengraues Kostüm. Sylvie hatte für alle Anstecksträußchen besorgt, Rosen aus dem Gewächshaus eines Floristen. »Leider nicht meine Rosen«, sagte Sylvie zu Mrs. Oliphant. »Gloire des Mousseux, falls es Sie interessiert.«
»Sehr schön«, sagte Mrs. Oliphant auf eine Weise, die nicht gerade nach einem Kompliment klang.
»Heiraten in Eile bereut man in Weile«, murmelte Sylvie vor sich hin, bevor kurz mit Sherry auf das Brautpaar angestoßen wurde.
»Und hast du? «, fragte Hugh sie nachsichtig. »Es bereut?« Sylvie tat so, als hätte sie ihn nicht gehört. Sie war in besonders missmutiger Stimmung. »Die Wechseljahre vermutlich«, flüsterte ein verlegener Hugh Ursula zu.
»Das glaube ich auch«, antwortete sie flüsternd. Hugh drückte ihre Hand und sagte: »Braves Mädchen.«
»Und weiß Derek, dass du nicht mehr intakt bist?«, fragte Sylvie, als sie mit Ursula allein auf der Damentoilette war. Sie saßen auf kleinen gepolsterten Hockern und zogen vor dem Spiegel ihren Lippenstift nach. Mrs. Oliphant war am Tisch sitzen geblieben, da sie sowieso keinen Lippenstift trug.
»Intakt?«, sagte Ursula und starrte Sylvies Spiegelbild an. Was sollte das heißen, dass sie Mängel aufwies? Oder kaputt war?
»Deine Jungfräulichkeit«, sagte Sylvie. »Deflorieren«, fügte sie ungeduldig hinzu, als sie Ursulas verständnislose Miene sah. »Für jemanden, der alles andere als unschuldig ist, bist du erstaunlich naiv.«
Sylvie hat mich geliebt, dachte Ursula. Und jetzt tat sie es nicht mehr. »Intakt«, wiederholte Ursula. Über diese Frage hatte sie nie nachgedacht. »Wie wird er es merken?«
»Am Blut natürlich«, sagte Sylvie ziemlich unwirsch.
Ursula dachte an die Tapete mit dem Glyzinienmuster. Defloration. Sie hatte nicht gewusst, dass da ein Zusammenhang bestand. Sie hatte geglaubt, das Blut stamme von einer Wunde, nicht von der Entjungferung.
»Na ja, vielleicht merkt er es nicht«, sagte Sylvie und seufzte. »Er ist bestimmt nicht der erste Mann, der in seiner Hochzeitsnacht getäuscht wird.«
»Frische Kriegsbemalung?«, sagte Hugh leichthin, als sie an den Tisch zurückkehrten. Ted hatte Hughs Lächeln geerbt. Derek und Mrs. Oliphant runzelten auf die gleiche Weise die Stirn. Ursula fragte sich, wie Mr. Oliphant gewesen war. Er wurde nur selten erwähnt.
»Eitelkeit, dein Name ist Weib«, sagte Derek mit gezwungener Heiterkeit. Er war bei gesellschaftlichen Anlässen
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