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Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Titel: Die Unvollendete: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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nie mehr gefunden würden. Sie erwachte erschrocken und war erleichtert, dass in dem großen weißen Schneefeld ihres Bettes zumindest das Baby noch bei ihr war. Das Baby. Ursula. Den Namen hatte Sylvie bereits ausgesucht, Edward, wenn es ein Junge gewesen wäre. Den Kindern einen Namen zu geben war ihr vorbehalten, Hugh schien es gleichgültig zu sein, wie sie hießen, doch Sylvie nahm an, dass auch er Grenzen hatte. Scheherazade vielleicht. Oder Guinevere.
    Ursula öffnete die milchigen Augen, und es sah aus, als fixiere sie das müde Schneeglöckchen. Schlaf, Kindlein, schlaf, sang Sylvie leise. Wie still es im Haus war. Wie sehr man sich da täuschen konnte. In einem einzigen Augenblick, mit einem falschen Fußtritt konnte man alles verlieren. »Düstere Gedanken sind um jeden Preis zu vermeiden«, sagte sie zu Ursula.

Krieg
    Juni 1914
    M r. Winton – Archibald – stellte die Staffelei in den Sand und versuchte, mit wässrigen blauen Schmierflecken ein Seestück zu malen – Preußischblau- und Kobalttöne, Viridian und Terre Verte. Er tupfte ein paar ziemlich verschwommene Möwen in den Himmel, der so gut wie nicht zu unterscheiden war von den Wellen darunter, und stellte sich vor, wie er bei seiner Rückkehr nach Hause das Bild zeigen und sagen würde: »Im Stil der Impressionisten, versteht ihr.«
    Mr. Winton, ein Junggeselle, war von Beruf Bürovorsteher in einer Fabrik in Birmingham, die Stecknadeln herstellte, doch von Natur aus war er Romantiker. Er war Mitglied eines Fahrradvereins und radelte jeden Sonntag so weit wie möglich hinaus aus der verschmutzten Luft von Birmingham, und seinen jährlichen Urlaub verbrachte er an der See, damit er gute Luft atmen und sich eine Woche lang als Künstler fühlen konnte.
    Er überlegte, ob er ein paar Menschen in das Bild malen sollte, sie würden ihm Leben und »Bewegung« verleihen, und sein Lehrer an der Abendschule (er machte dort einen Malkurs) hatte ihn ermutigt, diese Elemente in sein Werk einzuführen. Die zwei kleinen Mädchen am Strand waren dafür geeignet. Sie trugen Sonnenhüte und entbanden ihn dadurch von dem Versuch, ihre Gesichtszüge zu porträtieren, eine Kunst, die er bislang noch nicht wirklich gemeistert hatte.

    »Komm, wir springen über die Wellen«, sagte Pamela.
    »Och«, sagte Ursula und zierte sich. Pamela ergriff ihre Hand und zog sie ins Wasser. »Sei nicht albern.« Je näher sie dem Wasser kam, umso größer wurde Ursulas Panik, bis sie von Angst überflutet war, aber Pamela lachte und lief spritzend ins Wasser, und Ursula musste ihr folgen. Sie suchte in Gedanken fieberhaft nach etwas, was Pamela veranlassen würde, zum Strand zurückzukehren – eine Karte, auf der ein Schatz eingezeichnet war, ein Mann mit einem jungen Hund –, aber es war zu spät. Eine riesige Welle türmte sich auf, brach über ihren Köpfen, krachte auf sie herunter und nahm sie mit in die tiefe, tiefe Wasserwelt.

    Sylvie erschrak, als sie von ihrem Buch aufblickte und einen Mann, einen Fremden, am Strand auf sich zukommen sah, unter jedem Arm eine ihrer Töchter, als würde er Gänse oder Hühner tragen. Die Mädchen waren patschnass und tränenüberströmt. »Sie sind ein bisschen zu weit ins Wasser gegangen«, sagte der Mann. »Aber es ist ihnen nichts passiert.«
    Sie luden den Lebensretter, einen Mr. Winton, Büroangestellter (»Vorsteher«), zu Tee und Kuchen in ein Hotel mit Meerblick ein. »Das ist das mindeste, was ich tun kann«, sagte Sylvie. »Ihre Schuhe sind ruiniert.«
    »Nicht der Rede wert«, sagte Mr. Winton bescheiden.
    »O doch, das ist ganz eindeutig der Rede wert«, sagte Sylvie.

    »Froh, wieder da zu sein?« Hugh strahlte und begrüßte sie auf dem Bahnsteig.
    »Bist du froh, dass du uns wieder hast?«, fragte Sylvie etwas kämpferisch.
    »Zu Hause wartet eine Überraschung auf euch«, sagte Hugh. Sylvie mochte keine Überraschungen, alle wussten das.
    »Ratet, was es ist«, sagte Hugh.
    Sie tippten auf ein junges Hündchen, von dem es ein weiter Weg zu dem Petter Stromgenerator war, den Hugh im Keller installiert hatte. Sie marschierten die steile steinerne Treppe hinunter und starrten auf das ölverschmierte puckernde Ding, die Reihen der gläsernen Akkumulatoren. »Es werde Licht«, sagte Hugh.
    Es sollte lange dauern, bis sie einen Lichtschalter betätigen konnten, ohne damit zu rechnen, in die Luft zu fliegen. Mehr als Licht schaffte das Ding natürlich nicht. Bridget hatte auf einen Staubsauger gehofft als Ersatz

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