Die Unvorhersehbarkeit der Liebe
das Feuer zu löschen und Beatrice zu beruhigen, sie noch anstachelt. Das ist ungerecht! Herrgott im Himmel, sie und Beatrice sind ungerecht! Beatrice, nun gut! Aber warum muß die da noch Öl ins Feuer gießen?«
»Und wir überlisten dieses Feuer, keine Sorge, Pietro, beruhige dich! … Nimm du Jacopo, er ist schwer. Siehst du nicht, daß ich ihn auf dem Arm habe? Da, bring ihn zu Stella, sonst stirbt er uns vor Hunger.«
»Aber ich weiß gar nicht, wie man ihn hält! Und wenner mir nun herunterfällt und kaputtgeht? Fräulein Elena, nehmt Ihr ihn …«
»Nun geh, Pietro, mach kein Theater!«
»Verzeiht, Fürstin, und auch Ihr, Fräulein Elena, aber ich war außer mir, weil ich schon beschlossen hatte, meinen Abschied zu nehmen, wenn keine Gerechtigkeit waltet. Und von meiner Mody und meiner Beatrice wegzugehen wäre ein furchtbarer Schritt für Pietro.«
»Wie du siehst, mußt du diesen Schritt nicht tun, aber jetzt geh!«
»Oh, er weint, Mody! Nicht, daß ich ihm weh getan habe?«
»Nein, Pietro, ich habe dir doch gesagt, daß er weint, weil er Hunger hat.«
Im Salon
Im Halbdunkel des Salons stand Beatrice mit Quecksilber und erwartete mich. Die zugezogenen Vorhänge erzeugten wieder das Licht und die Gefühle von einst.
»Aus diesem Haus ist eine Kaserne geworden, Modesta! Aufgezogene Vorhänge, die Möbel nicht gepflegt, kein Blumenstrauß! Mir gefällt dieses Fräulein Elena nicht, sie sieht aus wie ein Polizist. Ich habe mir erlaubt, ihr das mitzuteilen, und erlaube mir, es dir ebenfalls zu sagen.«
»Daran hat das Fräulein Elena keine Schuld, Beatrice. Ich habe angeordnet, die Vorhänge aufzuziehen.«
»Wie, sie hat daran keine Schuld? Ich hatte mich so auf sie verlassen! Ist sie nun eine Frau oder nicht? Du mußt wie Carlo an so vieles denken, und deshalb ist es die Aufgabe von uns Frauen, uns um euer Wohl und um alles im Haus zu kümmern.«
»Wenn dich das so sehr bedrückt, Beatrice, dann reden wir darüber.«
»Natürlich bedrückt mich das! Ich mußte meinem Gatten folgen und fühle mich schuldig, wenn ich all das hier sehe.«
Unter Carlos erschrockenem Blick stürzte ich zu ihr, um sie aufzufangen. Im sanften Halbdunkel von einst weint sie, an mich geklammert. Und wie einst umschließen meine Arme ihre zarte Taille.
»O Modesta, halt mich fest! Du bist nicht böse auf mich, oder? Ich bin so gemein! Ich habe dich allein gelassen. Und auch zu Pietro bin ich gemein gewesen. Ich habe seinen haßerfüllten Blick gesehen. Noch nie hat er mich so angeschaut, und er hat recht damit, ich war ungerecht. Und auch du bist gemein, Quecksilber, geh weg, ich will dich nicht mehr sehen!«
»Geh, Quecksilber, laß uns allein.«
»Genau, jag sie fort, sie ist gemein. Statt mich zu beruhigen. Auch zu Carmine war ich gemein. Wie schrecklich, Modesta, jetzt ist er tot! Ich wußte nicht, daß er sterben würde.«
»Das konnte keiner wissen, Beatrice.«
»Ich hätte zu ihm gehen müssen, zumindest dieses letzte Mal.«
»Ich bin auch für dich dort gewesen.«
»Ja, du bist wirklich ein guter Mensch. Du bist dort gewesen … Ich, ich hatte Angst … Und dieser, dieser … ist geboren? Du hast ihn doch nicht etwa genommen, oder, Modesta? Sag mir, daß du ihn nicht zu dir genommen hast.«
»Ich habe ihn nehmen müssen. Ich war gezwungen, es zu tun.«
»Gezwungen, du? Das ist wohl ein Scherz, wer kann dich zu etwas zwingen?«
»Onkel Jacopo.«
»Wie das?«
»Er ist zurückgekehrt, aber nicht wie damals im Traum. In Fleisch und Blut, klein, mit genau demselben Blick. Er ist wiedergeboren worden.«
»Woher weißt du das?«
»Ich habe ihn angeschaut. Und ich wette, wenn du ihn siehst, erkennst du ihn auch wieder.«
»Gehen wir zu ihm, ich kann es kaum glauben! Wo ist er? Wo? Ich will ihn sehen!«
Im Zimmer mit Stella
»Du hast recht, Modesta, er ist ihm wie aus dem Gesicht geschnitten, nur die Augenfarbe ist anders. Das kannst du nicht wissen. Onkel Jacopo hatte blaue Augen, während dieser Jacopo die grauen Augen von Großmutter Gaia hat. Gibst du ihn mir, Stella, jetzt, wo er gestillt ist? Wie groß er ist! Hast du auch genug Milch für zwei?«
»Fürstin, dieser Picciriddu bewirkt Wunder! Schaut her, mir platzt fast der Busen!«
»Und sieh dir seine Händchen an, Modesta: ganz lang mit ovalen Nägeln! Jacopos Hände, Modesta. Was für ein Glück, daß du ihn gleich erkannt hast! Und du, Quecksilber, hör auf zu weinen, und bitte Pietro um Verzeihung. Du bist an allem schuld! Aber das weiß man
Weitere Kostenlose Bücher