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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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Probe!«
    Seine Hand auf meiner im Lichtschein durchbricht die Welle des Friedens, die seit Monaten meine Sinne wiegt. In der Hitze dieser Hand liegt Gefahr. Ich schaue ihm fest in die Augen.
    »Ich verliere mich in deinen Augen, jag mich nicht weg … In deinem Blick liegt etwas wie ein Wind, der mich fortträgt.«
    In diesem weizenblonden Blick lauert Gefahr. Der Wind seiner Augen treibt mich zu ihm, und auch wenn mein Körper bewegungslos widersteht, dreht sich meine Hand, um seine zu berühren. Im Lichtschein verliert sich meine Hand in seiner, und ich schließe die Augen. Erhebt mich hoch, und die vertrauten Bewegungen verzaubern wieder meine Sinne und erwecken Nerven und Adern zu neuer Lust. Ich hatte mich nicht getäuscht, der Sensenmann beobachtet mich aus der Ferne, aber nur, um mich auf die Probe zu stellen. Ich muß die Gefahr akzeptieren, wenn nur sie die Macht hat, meinen Sinnen neues Leben einzuhauchen, aber ruhig und ohne kindliches Zittern. Und als er, in seinem jugendlichen Körper geblendet, in mich einzudringen versucht, halte ich ihn sanft zurück.
    »Was ist, Modesta?«
    »Wenn du ein Mann bist, Mattia, und kein windiges Bürschchen, dann kennst du deine Pflicht.«
    »Du hast recht, Modesta. Aber ich habe dich so begehrt! Preß wenigstens die Schenkel zusammen und laß mich kommen.«
    Ich drücke fest die Schenkel zusammen, und er kommt. Ich fange seinen Samen in meinen Händen auf, streiche ihn mir über Bauch und Busen und komme ebenfalls. Er riecht genauso wie der von Carmine, derselbe bittersalzige Geruch nach sonnengereiftem Leben. Der Sensenmann wartet lächelnd. Er will nur die Trauer mitnehmen und diesen inzwischen abgestorbenen Teil von mir, den ich abstoßen muß. Damit mir das gelingt, muß ich meine Jugend annehmen, diesen Jungen mit den festen, nicht von Wind und Regen gegerbten Wangen. Ohne zu zögern greife ich nach meiner Jugend in diesem frischen, anmaßenden Körper.
    »Darf ich wiederkommen?«
    »Ja, Mattia, so gefällst du mir.«
    »Du gefällst mir! Was sind das für Worte … Du sollst mich lieben!«
    »Still, Mattia, mach nicht alles kaputt.«
    Langsam hängt er die drei Schlüssel an sein Bund, schaut mich an und läßt sich anschauen. Ich könnte glücklich sein, ihn immer nur anzuschauen, bei Sonnenaufgang, bei Sonnenuntergang und nachts, wenn ich seinen Körper, der so jung ist wie meiner, in den Armen halte.
    »Kann ich zurückkommen?«
    »Meine Schlüssel sind wieder an deinem Bund, was fragst du noch?«
    »Also hast du nicht geschlafen?«
    »Nein, ich habe dich angeschaut.«
    »Aber du hattest die Augen geschlossen.«
    »Ich habe dich trotzdem gesehen, du bist schön, so nackt.«
    »Sag so etwas nicht, sonst bekomme ich wieder Lust.«
    »Morgen, Mattia, jetzt mußt du gehen.«
    »Stellst du mich auf die Probe?«
    »Das wolltest du doch.«
    »Mir zittern die Hände vor Verlangen nach dir. Aber ich bestehe die Probe.«
    »Hoffen wir es, Mattia.«
    »Du wirst sehen!«
    Inzwischen war klar, daß ein Teil von mir immer ihnen gehören würde und dieser Sprache voll tiefer Leidenschaft, die Stellas Stimme manchmal rein und warm erklingen ließ und sie manchmal wie das dunkle Meer vor dem Sturm verfinsterte:
    »Fürstin, bekümmert es Euch nicht, wenn Eriprando mich Mama nennt? Ich habe alles versucht, um ihm das auszutreiben, aber Prando ist noch sturer als ’Ntoni, falls das überhaupt möglich ist.«
    »Und weshalb sollte mich das bekümmern, Stella? Laß ihn. Was ist dabei, wenn er dich als Mutter gewählt hat? Prando, wie viele Mamas hast du?«
    »Zwei und zwei Tanten.«
    »Nun hört euch das an! Und wer ist die zweite Tante?«
    »Meine liebe Elena.«
    »Hast du auch Geschwister?«
    »Nein.«
    »Und der dich da anschaut? Ist das nicht dein Bruder, Jacopo?«
    »Das ist deiner!«
    »’Ntoni ist meiner … Aber Jacopo?«
    »Nein!«
    »Laß ihn, Stella, er schläft ja fast. Laß ihn im Schlaf allein seinen Weg suchen. Und sag mir, Stella, ich sehe, daß du unruhig bist, macht dir dein Vater Sorgen?«
    »Er kann sich nicht damit abfinden, daß es mir hier besser geht als zu Hause. Aber Melo ist’s, der mir Sorgen macht. Warum ist er noch nicht zurück, und wieso schreibt er nicht? Der Herr Carlo ist schon lang aus Rom wieder da.«
    »Aber Melo sollte doch von Rom aus nach Amerika fahren. Er wird sich eingeschifft haben.«
    »Ohne eine Zeile zu schicken? In Rom hat’s Tote und Verwundete gegeben, ich habe davon gehört. Ich kann die Zeitung nicht lesen, aber gehört habe

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