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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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Aber das durfte ich nicht zeigen, und mit dem Taschentuch vor dem Mund versuchte ich, das Lachen zu verbergen. Zwei Ärzte und eine Krankenschwester starrten mich ernst an, das Fräulein Inès lag erschöpft im Bett und jammerte:
    »Nein, nein! Ich will ihn nicht! O Fürstin, wie schrekklich! Diese Schmerzen! Sagt’s denen, Ihr habt doch auch entbunden, ich kann nicht stillen. Diese ganzeHöllennacht lang haben die mich angeschrien: ›Pressen, pressen!‹«
    Inès lag dick und schlaff im Bett und starrte mit weit aufgerissenen Augen an die Zimmerdecke, während sie mit mir redete.
    »Es war eine schwierige Entbindung, Fürstin. Danach haben wir sie schlafen lassen. Leider hat jetzt die Wirkung des Schlafmittels nachgelassen. Aber Ihr könnt mir glauben, daß sie eben erst erwacht ist.«
    »Dann gebt ihr noch mehr Schlafmittel.«
    »Aber sie müßte stillen …«
    Bei diesen Worten begann Inès erneut, sich im Bett hin und her zu wälzen und zu schreien:
    »Wenn ich das vorher gewußt hätte, hätte ich mich nie darauf eingelassen! Nie mehr, nie mehr!«
    Sie hatte einen solchen Schreck bekommen, daß sie es nie wieder versuchen würde; das war besser so.
    »Nun laßt sie doch in Ruhe! Seht ihr nicht, daß sie ihn nicht in den Arm nehmen möchte? Schwester, bringt das Kind weg.«
    »Wie Ihr wollt, Fürstin. Wir haben auf Euch gewartet, um eine Entscheidung zu treffen …«
    »Ja, ja, laßt sie schlafen, und bringt mir das Kind nach nebenan. Ich muß es in Ruhe sehen. Bei Gott, dieses Zimmer gleicht einem Schlachthof und keiner Klinik.«
    Gerade noch rechtzeitig flüchte ich in den kleinen Salon, denn trotz des Taschentuchs kann ich das Lachen nicht mehr zurückhalten.
    »Nein, so etwas! Wie kann man sich so gegen den Segen eines Kindes wehren, das der Herrgott einem geschenkt hat?«
    »Wir haben Euch nicht nach Eurer Meinung gefragt, Schwester Clara. Zeigt der Fürstin das Kind, undverschont uns mit Euren Kommentaren! O Modesta, endlich sehen wir uns wieder! Aber was soll das Taschentuch vor deinem Mund, geht es dir nicht gut?«
    Wütend starrte uns Schwester Clara an.
    »Legt es in die Wiege und laßt uns allein.«
    »Gott sei Dank hast du sie weggeschickt, Carlo, ich konnte nicht mehr.«
    »Was hast du, lachst du?«
    »Was sollte ich sonst tun? Ich habe einen solchen Lachkrampf bekommen, ich kann nicht mehr an mich halten.«
    »Wie immer unberechenbar, Modesta. Wenn ich dich anschaue, muß ich auch lachen. Wie schön, dich zu sehen!«
    »Warum, haben wir uns länger nicht gesehen?«
    »Allerdings, Fürstin! Seit Monaten …«
    »Aber wir waren doch …«
    »Ja, mit den anderen … Ich wollte so gern mit dir reden, wie in alten Zeiten.«
    Carlo mit seiner schwarzen Mähne über den wachsamen Augen starrt mich vorwurfsvoll an und drückt mit seinen zarten Händen die meinen. Sein heiterer Blick macht mir bewußt, wie sehr er mir in all diesen Monaten gefehlt hat. Ich bin von einer langen, weiten Reise zurükkgekehrt, von der ich nicht berichten kann. Seine Stimme, seine Art zu reden und der Gegensatz zwischen meiner von Leidenschaft durchdrungenen Sprache und seiner klaren und eleganten, die ich zwar liebte, die ich aber mit meinem innersten Empfinden nicht in Einklang zu bringen vermochte, ließen mich den Kampf erahnen, der mir in Zukunft bevorstand. Ob ich es je schaffen würde, diese Gegensätze zu vereinen, die es mir nicht erlaubt hatten, Carlo zu lieben?
    »Ob ich es schaffen werde, Carlo?«
    »Das ist ganz meine Modesta, deren Miene sich von einer Sekunde auf die andere wandelt und deren Stimmung blitzschnell umschlägt. Ob du was schaffen wirst?«
    »Wenn ich doch bloß mit dir reden könnte!«
    »Worüber, Modesta?«
    »Über unklare Dinge tief in mir drin … Dinge, über die man schwer sprechen kann und die meinen Geist und meine Gefühle gefangenhalten.«
    »Man kann über alles reden. Das habe ich von dir gelernt.«
    Voller Verzweiflung las ich in seinen Augen, daß mein Bild immer von einem weißen Kreidestrich in zwei Hälften geteilt bleiben würde.
    »Was ist, Modesta?«
    »Carlo, ich brauche Hilfe.«
    »Mit mir kannst du reden, das weißt du.«
    »Ich weiß, danke. Nur das wollte ich von dir hören.«
    Mit meinen Händen in seinen einen Kreis bildend, verlieh ich ihm Sicherheit und er mir das Bewußtsein, nicht allein zu sein.
    »Wer weint da, Carlo?«
    »Wie, wer weint da, Modesta? Du bist seltsam. So habe ich dich noch nie gesehen, du bist wie verjüngt, aber weit weg.«
    »Er ist gesund, nicht

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