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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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Gedanken des Tages und verjagt die unheilvollen wie der Klang des marranzanu .« Carmines Stimme entströmt der Pfeife gemeinsam mit dem Rauch, ohne Modesta zu erschrecken. Die Sanftheit dieser Stimme war das Zeichen des Todesurteils, das sie vergeblich in seiner Brust und seinen Augen gesucht hatte. Und vielleicht, denkt Modesta, ist auch dieser Frieden, der mich seit Monaten erfüllt, ein Zeichen dafür, daß der Sensenmann meine Reise baldunterbrechen will … Ein ferner Blitz, gefolgt von dumpfem Donnergrollen, zerreißt das Bollwerk der Hitze und schüttelt die Bäume. Diese stummen, auf der Leinwand der Nacht entfesselten Donnerschläge und Blitze bilden verschlungene Arabesken und Feuerräder wie das Feuerwerk zu Pfingsten, das Eriprando so fasziniert. Wie er von diesem phantasievollen Kunstwerk abgelenkt, höre ich beinahe nicht, daß sich leise hinter meinem Rücken die Tür öffnet. Da ist er! … Kann jemand, der dir wie in einem Alptraum erschienen ist, plötzlich leibhaftig vor dir stehen? Oder habe ich wieder angefangen zu träumen? Mattia steht mir im Dunkeln gegenüber, ich sehe ihn nicht, erkenne aber sein Schweigen … ein finsteres Schweigen wie das eines Hundes oder eines feindseligen Tieres. Oder ist es der Atem der Jugend? Jetzt kommt er auf mich zu, und auch ich muß zu dem Tisch gehen, der uns trennt, um mit einer Hand nach der Pistole zu greifen, während ich mit der anderen das Licht anschalte.
    »Was willst du hier, du Wahnsinniger? Wie bist du hereingekommen? Fort von mir, Mattia! Einen Schritt weiter, und ich jage dir eine Kugel in den Kopf!«
    »Ich komme nicht näher. Ich wollte dir bloß die Schlüssel zurückbringen. Hier, es waren drei Stück. Ich habe sie vom Schlüsselbund meines Vater abgenommen. Hier sind sie, Fürstin, Tor-, Haustür- und Zimmerschlüssel.«
    »Hättest du sie mir nicht schicken oder tagsüber kommen können?«
    »So ist Mattia nun einmal! Er mag Überraschungen. Und außerdem hatte ich noch eine Hoffnung.«
    »Was für eine Hoffnung, du Verrückter?«
    »Daß du gelogen hast. Wir Tudia sind sehr eifersüchtigauf unsere Erinnerungen, beinahe noch eifersüchtiger auf die an die Toten als an die Lebenden. Aber kein Zweifel darf diese Erinnerung trüben, und du hast mich zweifeln lassen. Deshalb wollte ich mit meinen eigenen Händen an den Schlössern seinem Weg folgen, um Gewißheit zu haben. Du hast die Wahrheit gesagt, und Carmine hat seine Söhne immer belogen.«
    »Laß die Toten ruhen und vergiß es. Modesta hat alles vergessen.«
    »Sehr gut! Erst kommt sie wie eine Wahnsinnige in anderer Leute Haus. Sät mit ihren Andeutungen ein Gewirr von Zweifeln, und dann vergißt sie es! Warum bist du nach Carmelo gekommen? Um uns Carmine zu stehlen? Warum hast du ihn geküßt?«
    »Ich habe mir das genommen, was dein Vater mir schuldig war.«
    »Hast du ihn so sehr geliebt? Du antwortest nicht? Liebst du ihn immer noch? Ich habe dich Tag für Tag aus der Ferne beobachtet und bin dir gefolgt. Du hast keine Männer, wie ich geglaubt habe. Du bist allein und denkst an ihn.«
    »Modesta hat ihn vergessen.«
    »Hast du mich auch vergessen?«
    »Ja, das habe ich. Geh! Was willst du von mir?«
    »Ich will dich.«
    »Es gibt viele Frauen, Mattia.«
    »Das habe ich ja versucht, aber aus ihren Augen schauen mich immer nur deine an. Sieh mich an, und leg die Pistole weg.«
    Auf dem Tisch schimmern im Lichtkreis der Lampe drei Schlüssel nebeneinander – je einer zum Tor, zur Haustür und zu meinem Zimmer – und flüstern meinem Geist eine klare Botschaft ein, von einem in der Nachtohne zu zögern eingeschlagenen Weg. Nunzio ist immer auf seinem Posten. Lupo und Selassié wachen.
    »Die Hunde, sagst du? Mattia kennt sich mit Hunden und Wächtern aus! Nur mit dir nicht, glaub mir, Mody – so nannte er dich doch, oder?«
    »Woher weißt du das?«
    »Ich weiß es … und glaub mir, ich habe versucht, diese eisige Nacht, wie du sie genannt hast, zu vergessen, aber je mehr ich mich bemüht habe, um so kälter wurde mir und um so mehr habe ich deinen heißen Körper gesucht.«
    Wie unter Hypnose erträgt meine kalte Hand diese heiße, bittende Stimme nicht länger und legt die Pistole auf die Schlüssel.
    »Du bist noch schöner, als ich dich in Erinnerung hatte! Ich habe dich verstanden – ich habe zuviel verlangt.«
    »Du wirst es nicht schaffen, Mattia. Du bist zu jung und wirst bald wieder mit der Fragerei anfangen und die Ruhe dieses Hauses stören.«
    »Stell mich auf die

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