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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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ja, daß ihr vom Festland gar nichts versteht! Wie glücklich Großmutter Gaia über diese Rückkehr sein wird. Du kannst dir nicht vorstellen, wie lieb sie Onkel Jacopo hatte. Auch wenn sie sich immer gestritten haben.«
    Quecksilber und Pietro diskutierten in einer Ecke, oder besser gesagt, Pietro duckte sich unter dem Wortschwall, der aus Quecksilber hervorbrach.
    »Nun, habt ihr zwei Frieden geschlossen? Modesta, die beiden streiten so sehr, daß ich mir beinahe vorstellenkönnte, sie verliebten sich noch ineinander. Was für ein Paar! Jetzt tut es mir nur noch um Carmelo leid, denn wir könnten Onkel Jacopos Zimmer wiederherrichten, wie es sich die Großmutter immer gewünscht hat, und nicht nur das … Und wenn wir jetzt nach Carmines Tod die Villa zurückkauften, Modesta, was meinst du? Denk daran, wie glücklich die Großmutter darüber wäre! Eriprando in dem Zimmer oben und Jacopo in seinem eigenen. Und wenn Gott will! … Komm her, ist dir nichts aufgefallen? Leg deine Hand auf meinen Bauch. Spürst du nichts?«
    »Seit wann, Beatrice?«
    »Das Blut kommt schon seit zwei Monaten nicht mehr.«
    »Weiß Carlo es?«
    »Nein. Wie es die Tradition verlangt, mußt du es als erste erfahren. Leg die Hände auf meinen Bauch, und segne dieses Geschöpf.«
    »Ich segne dich, Beatrice.«
    »Wenn Gott mir doch einen Sohn schenkte! Ignazio muß zurückkehren. Ignazio war schön, der schönste von allen!«
    »Ignazio wird zurückkehren, Beatrice, aber die Villa auf Carmelo muß im Besitz der Tudia bleiben.«
    »Warum, Modesta?«
    »Weil wir den toten Carmine nicht beleidigen dürfen, und das weißt du auch.«
    »Ich weiß. Carmine muß auch im Tod respektiert werden.«

54
    »Fürstin, dieser Picciriddu weint nie. Wie seltsam. Er macht die Augen auf, trinkt seine Milch und schläft friedlich wieder ein. Schaut ihn Euch an! Ich weiß mir nicht zu helfen: Jacopo kommt mir wie ein Erwachsener vor … Ich sollte das nicht sagen, aber in nur drei Monaten ist er mir mehr zum Sohn geworden als dieser Nimmersatt ’Ntoni.«
    »Aber dein ’Ntoni ist ein schöner Junge, Stella!«
    »Ja, schön ist er, Fürstin! Aber launisch und stur! Ganz der Vater. Ich fühle, daß er mir genauso viele Sorgen machen wird.«
    »Das muß nicht sein, Stella, wenn du ihn anders zu erziehen verstehst.«
    »Meint Ihr etwa, daß man das Schicksal verändern kann, Fürstin?«
    »Man kann alles verändern, Stella.«
    »Und es regnet immer noch nicht! Dieser Sommer will einfach kein Ende nehmen! Mein Vater erzählte mir, daß vor dreißig Jahren Schwüle und Hitze bis Allerseelen dauerten. ›Das ist ein schlechtes Zeichen!‹ sagte er. ›Die Toten haben Durst.‹ Und in jenem Jahr geschah ein großes Unglück. Wenn doch das Wasser herabfiele, um die Seelen reinzuwaschen … Die Männer scheinen verrückt geworden zu sein und laufen hier auf der Insel und auf dem Festland diesen schwarz gekleideten Burschen nach. Nur Unglück kann man vom Festland erwarten!«
    »Machst du dir Sorgen um deine Brüder, Stella?«
    »Wenn es nur das wäre! Aber diese Faschisten haben mit ihrem Geschwätz auch meinen Melo betört, der ihnen nach Rom gefolgt ist. Ich darf gar nicht daran denken. Nicht direkt nach Rom, sondern in die Nähe, in ein Dorf namens Tivoli.«
    »Melo? Ich dachte, der sei nach Amerika gegangen?«
    »Genau. Aber zuerst ist er nach Rom gefahren … dort oben regnet es, hat er mir geschrieben … und dann will er sich in Neapel einschiffen. Wenn es hier wenigstens auch regnen würde!«
    »Es wird regnen, Stella. Und mach dir um die Männer keine Sorgen. Auch Beatrices Mann mußte nach Rom. Melo und Carlo kommen wieder, keine Angst. Willst du, daß deine Milch sauer wird?«
    »Ihr habt recht. Wir Frauen dürfen uns nicht zu viele Sorgen um sie machen. Wer versteht die schon mit ihrem Hinundhergerenne? Und Stella ist eine Frau und beruhigt sich wieder, sie weiß, daß sie nur ihre Pflicht tun muß.«
    »Gute Nacht, Stella.«
    »Euch auch, mögt Ihr gut schlafen.«
    Stella lächelt, und ihr Gesicht scheint zu leuchten. Noch einen letzten Blick in das große, im Halbdunkel liegende Zimmer und auf die beiden Bettchen in der Ecke, in denen Jacopo und ’Ntoni nebeneinander schlafen, und Modesta kann, wie jeden Abend, in die Stille ihres Zimmers zurückkehren. Auf dem Tisch blitzt zwischen den Büchern eine kleine weiße Pfeife hervor, die sie stopft. Dann setzt sie sich rauchend ans Fenster, den Blick auf den Himmel gerichtet. »Der Rauch bündelt die schönen

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